2000
Plakat
Plakatmotiv 2000
Texte
Horizont
Stammt vom griechischen „horizein“ (begrenzen) ab. Es beschreibt
eine Kreislinie, in der sich Himmelssphäre
und Erdoberfläche scheinbar berühren.
Vom einem „künstlichen Horizont“ wird in der Navigationstechnik gesprochen. Mit dem Slogan „Wir öffnen Horizonte“ wirbt eine Versicherung. Einem „beschränkten Horizont“ hat jemand, der von einer Sache wenig weiß. Mit sexueller Arbeit nicht nur im Liegen hat das „horizontale Gewerbe“ zu tun. Unter „Horizont.net“ findet sich im Internet zum Trendthema E-Commerce. Gute Entwicklungen scheinen wie „Silberstreifen am dunklen Horizont“.
Horizont ist dennoch ein blumiges Wort. Es beschreibt zumeist eine Situation
oder eine Zeit, die im Übermorgen, weit voraus, im Grunde fast ewig weit
entfernt liegt. Der Reiz der möglichen Erreichbarkeit schimmert dazwischen.
Es ist wie bei einer
Wanderung. Das Ziel fest vor Augen, bewege ich mich auf den Horizont zu. Mein
Ziel
rückt näher, wird irgendwann erreicht, aber gleichzeitig hat sich
ein neuer Horizont eröffnet.
Hinter´m Horizont
Liegt alles, was sich nicht auf den ersten und schon gar
nicht auf den zweiten Blick erschließt. Mensch sein,
staunen, lieben, verstehen. Das, was eigentlich das
Wichtigste im Leben ist.
In dieser Heiligen Nacht werden wir hinter die Dinge blicken und
Annäherungen versuchen. Mit Hoffnungsgeschichten und viel Musik, inmitten
Von weihnachtlichen Lichtern der wunderschönen alten Kirche von
Hergershausen
Wir sehen uns...
Predigt
Annäherungen an den Horizont:
1. Versuch: Wo ist der Horizont?
Du schaust durch ein großes Fernrohr. Was siehst du?
Ich schau mir die Welt an und versuche, den Durchblick zu kriegen. Allerdings
fürchte ich, dass das Rohr nicht groß genug ist.
Welches Fernrohr ist das schon? Noch nicht mehr das Hubble-Teleskop schafft
das.
Abgesehen davon: Welcher Mensch will das schon?
Oh ich kenne einige.
Und wo blicken die durch?
Na, bei allem auch nur ein wenig, aber immerhin, sie wollen es.
Und Sie?
2. Versuch: Der Horizont ist da hinten
Ich wandere von hier nach dort. Mein
Ziel: da hinten. Ich gehe und sehe mich um. Die Welt erschließt sich
langsam meinen Blicken. Umgepflügte,
brach liegende Felder rechts, mit einzelnen alten Bäumen, die noch matte Äpfel
tragen. Links ein altes Gehöft, in der Umzäunung döst ein
Hund vor sich hin. Menschenleer die Gegend. Am Horizont das Dorf mit seinen
wenigen Häusern und der kleinen Kirche in der Mitte.
Je weiter ich voran schreite, desto näher rückt mein Ziel vor Augen.
Langsam lasse ich hinter mir, was eben noch vor und neben mir lag.
Nach vielen Minuten des Gehens bin ich im Dorf, das ehemals da vorne lag,
angelangt. Gleichzeitig, fast unmerklich, hat sich ein anderer, ein neuer
Horizont ergeben. Steht ein neues Bild vor meinen Augen. Nie wird es mir
gelingen an den Horizont zu gelangen. Im Gehen, selbst im Stehen, verändert er sich fast ständig.
3. Versuch: Das Labyrinth.
Waren Sie schon einmal in einem Irrgarten oder in
einem Labyrinth? Sicher. Vielleicht zu letzt, als Sie noch Kind waren? Da
geht es munter nach rechts oder links, man muss zurück, weil der Weg verbaut
ist oder kommt nur langsam voran. Irrwege hier und da. Rufe erschallen von
anderen Suchenden: Wo bist du und man findet sich nicht. Noch nicht. Nur nicht
aufgegeben. Der Horizont ist nah, das Ziel unsichtbar. Mit der Mitte des Labyrinths
ists wie mit der Mitte in meinem Leben: Wie gelange ich da nur hin, ohne ständig
Umwege in Kauf nehmen zu müssen, die mir doch eigentlich erst den Sinn
des Ganzen offenbaren.
Aus dem Irrgarten kommen Sie garantiert dann schnell: immer mit der echten
Hand die rechte Seite oder mit der linken Hand die linke Seite berühren.
Dauert länger. klappt garantiert.
4. Versuch: Horizontale Worte
etwa des Jahres 2000 heißen Leitkultur
und wie immer sind schneller, höher, weiter horizontale Dimensionen. Einige
Namen der Opfer: Kaprun und das Unternehmen Concorde, die Matrosen der Kursk,
Dieter Baumann, der Eurofighter mit 40 Milliarden minus. Gewinner sind die
gelbe Post, Familie Wallert aus Göttingen, Jennifer Lopez und Robbie Williams,
Sie und ich, die wir leben.
Die Weltgeschichte ist ein Katalog von Gewalttaten und Unglücksfällen.
Sie besteht hauptsächlich aus Kriegen, Krönungen, Absetzungen und
Revolutionen, Angesichts vieler Scheußlichkeiten hat das Schöne
kaum eine Chance.
5. Versuch: Sind wir allein im Universum?
Diese Frage ist so alt wie die Menschheit.
Gibt es außerhalb dieser Erde
Wesen, uns gleich oder ganz anders. Wie sehen sie aus? Wie leben sie? Wie bewegen
sie sich? Gibt es im Weltenraum, der so groß ist, dass es unvorstellbar
erscheint, Wesen, die womöglich ewig leben? Die vielleicht wiedergeboren
werden? Waren sie schon einmal hier auf der Erde, in Hergershausen oder sind
sie um uns? Sind es Engel, Aliens. Monster?
Ein Blick in die Sterne am abendlichen Himmel oder in der morgendlichen Frühe
in das Blau des Himmels gibt uns weder diese noch jene Antwort.
Ach. könnten unsere Gedanken nur das Firmament durchdringen.
6. Versuch: Was ist das Leben?
Das Genom und seine Entschlüsselung hätten noch Zeit gehabt, sagt
Erwin Chargaff, einer der erfolgreichsten Biochemiker der letzten 50 Jahre.
Der maßgebliche Erforscher der DNS beurteilt die Arbeit der heutigen
Naturwissenschaften sehr skeptisch. Er sagt: wenn man den einzelnen Naturwissenschaften
die Frage stellt, was ist das Leben? Bekommt man zu hören, was zum Leben
gehört und in welchen Formeln es sich widerspiegelt. Das ist ungefähr
so, als würde man fragen: Was ist ein Buch? Und die Antwort erhalten:
Wir nehmen es auseinander, analysieren das Papier, stellen fest, wie die Buchstaben
aussehen und mit welcher Tinte sie gedruckt wurden – doch was im Buch
eigentlich steht, wissen wir nicht.
Das gleiche trifft auf die Naturwissenschaft zu. Letztendlich weiß kein
Wissenschaftler, was das Leben ist. Es bleibt ein Mysterium. .Ist es ein Gas,
ist es eine Flüssigkeit? Was geschieht da kurz nach der Befruchtung, wenn
die Eizelle eingesalbt wird? Warum lebt der Embryo dann plötzlich? Wir
erforschen nicht das Leben, sondern lediglich gewisse Bestandteile und gewisse
Bedingungen des Lebens, ohne genau zu wissen, ob sie tatsächlich notwendig
sind.
7. Versuch: Gibt es Perspektiven?
Womöglich liegt das, was wir hinter hinterm Horizont vermuten, ganz woanders.
Eben nicht in ewiger Ferne, sondern viel mehr ganz nah bei mir selbst? Vielleicht
in mir? In dir? In uns allen? Vielleicht müssen wir zwar aufmachen, an
den Horizont zu gelangen, aber nur, um dahinter zu uns selbst zu finden. Damit
wäre die Frage bereits Teil der Antwort. Schau dich an, dein Leben. Lebe
und vertraue.
Dietrich Bonhoeffer, vor 55 Jahren in einem Konzentrationslager in Flossenbürg
ermordet, macht mit seinem Lied, das wir gleich singen, auf eines aufmerksam.
Es ist in dunklen Zeiten geschrieben, und gerade deshalb so bedeutend: auf
das Geborgen-sein in Gott, das jeden Horizont wie einen Lichtstrahl durchscheint.
Musik: Von guten Mächten