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Brot und Wein für alle

600-jähriges Jubiläum: Jan Hus als Reformator statt Ketzer

Abendmahlskelche auf Altar„Brot und Wein für alle“ in Prag

Bereits hundert Jahre vor Martin Luther forderten böhmische Reformatoren, die Kirche zu verändern und setzten ihre Vorstellungen in der Stadt um. „Brot und Wein für alle“, hieß die Abendmahls-Losung. Der EKHN-Europabeauftragte Pfarrer Friedhelm Pieper feierte mit beim zentralen Jubiläum der böhmischen Reformation in Tschechien.

GottesdienstDie Prager feiern ihre Reformation in der Bethlehemskapelle

Am Sonntag, den 12. Oktober, feierten in der überfüllten großen Bethlehemskapelle in Prag Vertreterinnen und Vertreter der tschechischen evangelischen Kirchen mit internationalen Gästen das 600jährige Jubiläum der Wiedereinführung des gleichberechtigten Abendmahls: Brot und auch Wein für alle, nicht nur für Priester! Bei dem Festakt, der vom tschechischen Fernsehen live übertragen wurde, waren auch der tschechische Kultusminister Daniel Herman, Bischof Dr. Michael Bünker, der Generalsekretär der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“, sowie ein Gesandter des katholischen Erzbischofs von Prag, Dominik Jaroslav Kardinal Duka OP vertreten.

Frühe reformatorische Aufbrüche in anderen Ländern würdigen

Die Jubiläumsfeiern in Prag zur Erinnerung an die Anfänge des evangelischen Abendmahls wurden mit vorbereitet und durchgeführt von der EKHN-Partnerkirche "Evangelische Kirche der böhmischen Brüder", eine der tschechischen protestantischen Kirchen, die ihre Wurzeln in der böhmischen Reformation haben. Der EKHN-Europabeauftragte Pfarrer Friedhelm Pieper, der die Landeskirche bei den Feierlichkeiten in Prag vertrat, betonte nach seiner Rückkehr: "Auf dem Wege zum 500. Reformationsjubiläum in Deutschland ist es wichtig, die zum Teil früheren reformatorischen Aufbrüche und Impulse in Böhmen und anderen europäischen Ländern wahrzunehmen und die deutschen kirchlichen Erneuerungsbewegungen in dieser europäischen Vernetzung zu sehen. Die Reformation ist europäisch und sie ist älter!"

Böhmische Reformatoren kritisierten den Zustand der Kirche 100 Jahre vor Luther

Hundert Jahre vor Martin Luther hatten böhmische Reformatoren aus dem Umfeld des Priesters, Predigers, Universitätsrektors und Reformators Jan Hus in Prag damit begonnen, Reformen der Kirche nicht nur zu fordern, sondern in ihrer Stadt auch konkret umzusetzen. Es gab im 14. Jahrhundert in Europa an vielen Orten scharfe Kritik am Zustand der Kirche und der Amtsführung von Priestern, Bischöfen und vom Papst. Neben der Spaltung der Kirche mit zwei und teilweise drei einander bekämpfenden Päpsten, neben der Käuflichkeit kirchlicher Ämter, der Prunksucht und des Lebenswandels führender Geistlicher, standen Privilegien der Priester im Zentrum der Kritik. Dass die Kirche etwa 200 Jahre zuvor damit begonnen hatte, beim Abendmahl (Eucharistie) zwar Brot an alle zu verteilen, den Wein im Kelch aber den Priestern allein vorzubehalten, wurde in Prag als Symbol der Fehlentwicklungen der Kirche verstanden.

Spiritualität und sozialen Fragen verknüpft

Es wurde nach einer Erneuerung der Kirche gesucht, nach einem überzeugenden kirchlichen Leben, Lehren und Handeln und nach einer neuen Gemeinschaft von Geistlichen und Laien in den christlichen Gemeinden. Die häufige Feier des Abendmahls stand im Mittelpunkt der Suche nach neuer Spiritualität. Zugleich stellten sich die Reformatoren brennenden sozialen Fragen der Stadt Prag. In ihrem Gebäudeareal „Neues Jerusalem“ mitten im Dirnenviertel der Prager Altstadt sollten Laien und Geistliche gleichberechtigt miteinander leben und feiern. Zugleich wurde dort Raum für Prostituierte geschaffen, deren Unterstützung beim Ausstieg aus der Prostitution in die Sozialarbeit dieses Reformationsprojekts mit aufgenommen wurde.

Brot und Wein für alle

Im Kontext dieser Erneuerung kirchlichen Lebens wurde 1414 in der Kirche "Sankt Martin in der Mauer" in Prag das Abendmahl mit Brot und Wein für alle gefeiert. Der Kelch wurde fortan zum Symbol der böhmischen Reformation. „Brot und Wein für alle“, das hieß für die böhmischen Reformatoren auch: das Einbeziehen von Kindern in die Feiern des Abendmahls. Auch die Kleinen sollten nicht ausgeschlossen werden, wenn die Gemeinde zusammen feiert: eine Gemeinschaft von Laien und Geistlichen, Frauen und Männern, aus unterschiedlichsten sozialen Schichten und von unterschiedlicher Bildung, deren Zusammenfinden ihren symbolischen Ausdruck im gemeinsamen Teilen des Brotes und des Weines im Kelch findet. Im Abendmahl "in beiderlei Gestalt" also, wie es kirchlich benannt wurde: mit Brot und Wein.

Das Ende des Vordenkers

Dass ab 1414 tagende Konstanzer Konzil versuchte zwar erkannte Fehlentwicklungen der Kirche zu überwinden, den „Kelch für alle“ aber lehnten die Delegierten als unzulässige Abweichung von kirchlichen Regeln ab. Sie verurteilten zugleich Jan Hus als „Ketzer“ und richteten ihn 1415 auf einem Scheiterhaufen hin. Die Aufnahme des „Kelchs für alle“ in das im Zuge der europäischen reformatorischen Aufbrüche entstehende evangelische Abendmahl konnten die Konzilsentscheidungen und die Hinrichtung von Jan Hus allerdings nicht aufhalten.

Zentrum Ökumene der EKHN

Maria sprach:
"Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen."

(nach Lukas 1,46-55)

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