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Bergsträßer Impressionen vom Berliner Kirchentag

Begegnungen mit der Fremde und der Heimat

bbiew

„Wir standen nicht im Brennpunkt des Geschehens, doch wir hatten am laufenden Band interessante Begegnungen und gute Gespräche.“ So bilanzierte der Bergsträßer Dekan Arno Kreh die Resonanz auf die vom Evangelischen Dekanat konzipierte Ausstellung „Fremde. Heimat“ auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin.

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Für die Porträtreihe wurden insgesamt 17 Menschen befragt, die zu unterschiedlichen Zeiten geflüchtet sind und heute in der Region Bergstraße leben. Dazu zählen Heimatvertriebene, die sich nach dem 2. Weltkrieg an der Bergstraße niedergelassen haben. Zu Wort kommen auch Menschen, die vor 10, 20 oder 30 Jahren nach Deutschland geflohen sind sowie Geflüchtete aus Syrien, Irak, Iran, Afghanistan, Somalia oder Eritrea Auskunft, die erst seit kurzem an der Bergstraße leben. Der Kirchentag hatte das Dekanat eingeladen, weil die „Fremde. Heimat“ thematisch genau zur Podienreihe „Flucht, Migration, Integration“ passte. Dort diskutierten Kirchenvertreter wie die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weizel und Politiker wie Bundesinnenminister Thomas de Maiziére, Kanzleramtsminister Peter Altmaier kontrovers über Flüchtlingspolitik, Fluchtursachen und Integration von Flüchtlingen. Nach den Veranstaltungen nahmen sich etliche Besucher Zeit für die Ausstellung mit den Bergsträßer Flüchtlingsporträts.

Aus der „Fremde“ und aus der „Heimat“

Die Ausstellung besuchten aber nicht nur „Fremde“, sondern auch viele aus der „Heimat“. Die Leiterin des Diakonischen Werks, Irene Finger, der Hammelbacher Pfarrer Stefan Ningel somit Familie, die Leiterin des Notfallseelsorge Pfarrerin Karin Ritter, die Kirchenvorstandsvorsitzende der Heppenheimer Heilig-Geist-Gemeinde Christel Fuchs, die Stellvertreterin des Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und frühere Dekanin Ulrike Scherf und viele andere bekannte Gesichter hätten sich die Klinke in die Hand geben können, wenn es denn eine gegeben hätte.

Ein Schlauchboot und seine „Geschichte(n)“

Neben den Flüchtlingsporträts war ein aufgeblasenes Schlauchboot der Blickfang am Stand „Fremde. Heimat“. Darin befanden sich Taschen, die von der griechischen Insel Lesbos stammen. Sie wurden aus Rettungswesten gefertigt, die Flüchtlinge bei ihrer Überfahrt von der Türkei trugen und gegen eine Spende abgegeben wurden. Der Erlös kommt „Lesvos Solidarity“ zugute, einer Organisation von griechischen und internationalen Freiwilligen, die die auf Lesbos gestrandeten Flüchtlinge unterstützt. Und das traf das Empfinden vieler Besucher. „Eine wichtige Ausstellung. Ich war mit einem syrischen Flüchtling hier, der mit dem Boot über das Mittelmeer kam“, schreib zum Beispiel die  Berlinerin Kathleen Jauré in das Gästebuch, das am Stand auslag. Besonders beeindruckend: ein Geflüchteter machte von sich und dem Schlauchboot ein Selfie und meinte, mit genau einem solchen Boot – nur etwas größer – sei er mit vielen anderen über das Meer gekommen. Dann verschwand er wieder in der Menge.

Lebensgefährliche Flucht übers Meer

Einige der in der Ausstellung porträtierten Flüchtlinge waren ebenfalls mit Booten über das Mittelmeer nach Europa gekommen wie Idil Mohamud aus Somalia. Sie hatte über den Sudan und Kenia Libyen erreicht. Von dort wollte sie weiter über das Mittelmeer. „Mit vielen anderen sind wir in Boote gestiegen. Es waren zwei. Wir waren eine Woche auf dem Meer. Ein Boot ist gekentert. Ich weiß nicht, was mit den Menschen geschehen ist. Wir konnten nicht helfen, wir konnten nichts tun. Unser Boot hat das Land erreicht.“ 

„Das Evangelium und die Festung Europa vertragen sich nicht“

In den letzten drei Jahren sind mehr als 10.000 Menschen bei ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ums Leben gekommen. An diese Opfer erinnerte der Kirchentag am Freitag um 12 Uhr an allen Veranstaltungsorten mit einer Schweigeminute. Am Hauptbahnhof versammelten hunderte zu einer Gedenkveranstaltung, an der auch der Kirchenpräsident der EKHN, Dr. Volker Jung, teilnahm. Er erinnerte daran, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer niemand genau kenne. Viele Bootsunglücke würden gar nicht entdeckt. Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan meinte: „Das Evangelium und die Festung Europa vertragen sich nicht. Deshalb müssen Christen ein Zeichen gegen die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik setzen.“

„Wir waren ganz nah dran“

Für viele Bergsträßer Kirchentagsbesucher war die Aussicht beim Auftritt des früheren US-Präsidenten Barack Obama mit Kanzlerin Merkel viel besser als erwartet. „Wir waren ganz nah dran“, schwärmte der Pfarrer für Ökumene des Bergsträßer Dekanats, Tilman Pape, der sich gemeinsam mit seinem indischen Praktikanten Abilash Thevarkunnel auf zum Brandenburger Tor gemacht hatte. Nach dem Anschlag von Manchester gab es eine sichtbar stärkere Polizeipräsenz als bei Kirchentagen gewöhnlich. „Trotz Taschenkontrollen war die Stimmung nicht mulmig, sondern eher von heiterer Leichtigkeit geprägt“, berichtete Ute Gölz, stellvertretende Präses des Dekanats und Kirchenvorstandsvorsitzende von Wald-Michelbach. Diesen Eindruck bestätigte auch Sabine Allmenröder von der Fachstelle gesellschaftliche Verantwortung im Bergsträßer Dekanat: „Was für ein schönes Gefühl mit 50.000 Menschen das Abschiedskonzert der Gruppe „Wise Guys“ vor dem Brandenburger Tor zu hören und zu sehen , dass so viele junge Leute dabei sind. Unsere Kirche hat Zukunft.“ 

Am Sonntag setzt sich der Kirchentag in Bewegung und macht sich auf nach Wittenberg. Der große Abschlussgottesdienst findet zum 500. Reformationsjubiläum nicht in Berlin statt, sondern auf den Elbwiesen vor den Toren der Lutherstadt.

In der Konzentration auf das, was ist,
kann sich so etwas wie ein Raum öffnen,
ein Gewahrsam schärfen für die Gegenwart Gottes.

(Carsten Tag)

Carsten Tag

Bild: Mit freundlicher Genehmigung von gettyimages / rusm

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