Obdachlos als Jugendlicher
Filmtipp: 9 Leben – Schonungslos und ehrlich über das Leben auf der Straße
Matthias-Film Gemeinnützige GmbHLisa aus dem Film „9 Leben“ beim Cello-Spielen23.01.2014 cm Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Matthias-Film Gemeinnützige GmbHSunny aus dem Film „9 Leben“ ist nachdenklich„Die Drogen haben dafür gesorgt, dass ich einen gewissen Zustand von Taubheit erreicht habe. Und das war eigentlich auch mein Ziel: Nichts mehr fühlen“. Mit diesen Worten von Sunny steigt der Film „9 Leben“ ein. Die junge Frau trägt mehr als zehn Gesichtspiercings und eine Jeansweste, wirkt aber nicht hart, sondern sehr sanft und nachdenklich. Sie erzählt von ihrem Entzug, von Gewalt durch Männer und düsteren Stimmungen.
Junge Menschen erzählen vom Weg in die Obdachlosigkeit
Die sieben jungen Menschen stehen allein vor der Kamera im neutralen Raum. Sie sprechen über ihre Kindheit, das Leben auf der Straße, ihre Gefühle. Jeder von ihnen war einmal obdachlos, aber nicht jeder ist es geblieben. Vor allem durch die Nahaufnahmen der ausdrucksstarken Gesichter gibt „9 Leben“ das Innenleben der Frauen und Männer wider. Die Stimmung ist vor allem in der ersten Stunde häufig trist und depressiv. Die trübe Atmosphäre wird dadurch unterstützt, dass der Film in schwarz-weiß gehalten ist.
Gewalt in der Familie
Die Monologe werden mit Musikstücken übergeleitet, gespielt von den Protagonisten im Film. So spielt Krümmel mit der Zahnlücke zum Beispiel E-Gitarre in einer Band.
Seine Kindheit war von Angst geprägt, weil sein Onkel ihn geschlagen hat: „Er war ein brutales Schwein“. Krümmel hat sich vor ihm versteckt, seitdem sucht er die Dunkelheit. Sie gibt ihm das Gefühl von Schutz und er zieht sich gerne in sie zurück. Mit Drogen versucht er seine negativen Gefühle zu verdrängen, ist sich aber darüber bewusst, dass sie ihm eigentlich nicht gut tun.
Ehrliche Freundschaften auf der Straße
Die Protagonisten sprechen über die Straße nicht als Ort der Kälte oder Unsicherheit. Sie verbinden mit ihr ehrliche Freundschaften und ein Wohlbefinden, das besser ist als im Elternhaus. Manche empfinden die Freunde auf der Straße sogar als ihre Familie. Eine junge Frau berichtet, dass die Passanten ihr beim „Schnorren“, wie sie das Betteln nennt, fast immer freundlich begegnet sind. Einmal hat ihr sogar jemand ein warmes Essen vorbeigebracht.
Schlechtes Verhältnis zu Eltern prägt
Die Lebensläufe der sieben jungen Menschen im Film sind von Gewalt und Drogen geprägt. Ihr Verhältnis zu Mutter oder Vater war gestört oder gar nicht richtig vorhanden. So sagt Krümmel: „Ich hasse meine Mutter“, weil sie ihn auf ein Internat für Lernbehinderte geschickt hat, obwohl er in eine ganz normale Schule hätte gehen können. Außerdem hat er seinen toten Vater gesehen, als dieser sich erhängt hat. Sunny hätte sich einfach nur Liebe und Zuneigung von ihrer Familie gewünscht.
Hinter den Gesichtern stecken traurige Biografien
Der Film „9 Leben“ gibt Einblicke in Biografien, die sonst im Verborgenen bleiben. Der harte Einstieg und die schonungslosen Geschichten sind nichts für schwache Nerven. Der Film zeigt, wie sehr die Kindheit Menschen prägen und zu welchen Schicksalen sie führen kann. Nach diesem Film ändert sich die Sichtweise auf Menschen, die am Bahnhof in einer Ecke sitzen und um einen Euro bitten.
9 Leben
Deutschland 2011, 105 Minuten Laufzeit
FSK: 12 Jahre
Produzentin, Buch, Regie, Schnitt: Maria Speth
Redaktion: Claudia Tronnier
Protagonisten: Sunny, Toni, Krümel, JJ, Stöpsel, Soja, Za
Kamera: Reinhold Vorschneider
Der Film „9 Leben“ kann in der evangelischen Medienzentrale ausgeliehen werden.
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