Behinderung
Gemeinsam groß werden - auch mit Behinderung
heßJosefine hat Spaß in der integrativen Kindertagesstätte.09.02.2017 red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
heßDiplom Sozialpädagogin Melanie Kohlhöfer ist die Leiterin der i-Kita.„Mama weißt Du, man braucht gar nicht zu reden, um zu spielen. Wir verstehen den auch so, wir wissen immer was der meint.“ Wenn Daniela Regelein vom rührenden Umgang ihres Sohnes mit seinem stummen Spielkameraden erzählt, kann sie nicht aufhören zu lächeln. Sie ist sichtlich stolz, dass ihr fünfjähriger Sohn einen Platz in der Kindertagesstätte der evangelischen Martinusgemeinde in Frankfurt hat. Denn die Kita ist integrativ. Das bedeutet, sie betreut behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam.
Die Zahl der integrativen Kindergärten in Deutschland nimmt zu. Kinder, die eine integrative Einrichtung besuchen, haben keine, oder geistige oder körperliche Behinderungen. In allen Fällen aber gelte: „Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung“, sagt Melanie Kohlhöfer, die Leiterin der Martinusgemeinde.
Kein Mitleid fördern
In Kleingruppen lernen die Kinder spielerisch miteinander umzugehen und auf sich aufzupassen. Integration bedeute nicht, dass nichtbehinderte Kinder ständige Rücksicht nehmen müssten, erklärt die Erzieherin. So würde nur Mitleid gefördert: „Wenn man ein Kind, das beispielsweise im Rollstuhl sitzt, immer schiebt oder trägt, nimmt man ihm die Hürden des Alltags ab. Es soll doch für sein späteres Leben fit gemacht werden.“, erklärt Kohlhöfer.
„Alle sind gleich“
Nicht nur behinderte Kinder werden in der integrativen Kita speziell gefördert. Auch gesunde Kinder haben einen Gewinn davon. Denn sie lernen schon im Kindesalter andere zu akzeptieren und offen zu sein. „Mein Sohn soll später keine Berührungsängste im Alltag haben. Für ihn sind behinderte Menschen jetzt schon völlig normal.“, sagt Daniela Regelein. Behinderungen dürfen „kein Tabu-Thema“ mehr sein, ergänzt die Leiterin. Ob mit oder ohne Behinderung: „Alle sind gleich.“
Kohlhöfer erklärt, Kinder können diesen christlichen Grundsatz leichter akzeptieren, als Erwachsene. Denn sie leben noch in einer kindlichen und „sorgenlosen Naivität“, in der „anders sein, als ganz normal angesehen wird“. Zum Beispiel gehöre die Rolle des Rollstuhlfahrers beim Mutter-Vater-Kind-Spiel für die Mädchen und Jungen einfach dazu. Ein Fünfjähriger aus der Kita habe einmal gefragt „Was? Wir haben behinderte Kinder? Wo denn?“, zitiert Kohlhöfer.
Besorgte Eltern, die glauben, der Umgang mit behinderten Kindern könne ihrem Kind schaden, kann die Pädagogin beruhigen: „Es ist eben nicht schlimm, wenn ein Kind beim Essen spuckt! Oder einfach mal schreit oder auch vermehrt beißt. Nur indem wir es mit allen besprechen und es ehrlich abholen, können sowohl Kinder als auch Eltern aufgeklärt werden.
„Was nicht passt, wird passend gemacht.“
Damit möglichst viele Kinder mit Beeinträchtigung in der Frankfurter Kita unterkommen können, wurde über die Jahre hinweg viel umgebaut. „Was nicht passt wird passend gemacht“, so Kohlhöfer. Das zweistöckige Gebäude ist nun fast barrierefrei. Dafür sorgt unter anderem der neue Aufzug. Allerdings stößt die Einrichtung bei dem Thema Barrierefreiheit auch an ihre Grenzen. „Wir haben keinen sehr gut ausgebauten Lärmschutz. Das bedeutet, blinde Kinder hätten Schwierigkeiten sich in den Räumen zurecht zu finden.
Mehr Integrationsplätze gefordert
Weitere Barrieren sieht Kohlhöfer in der Betreuung der Integrationsplätze: „Wir haben pro Gruppe drei bis vier Fachkräfte.“ Das reiche aber noch nicht. „Genau wie andere Einrichtungen kämpfen auch wir mit dem aktuellen Fachkräftemangel.“
Kohlhöfer fordert außerdem mehr Integrationsplätze in und um Frankfurt. In vielen Kindertagesstätten seien Arbeitsverträge für die Betreuung von Kindern mit Behinderung nur noch befristet. „Das ist ein Unding“, so die Fachfrau. „Zum Glück bilden wir eine Ausnahme, da wir nur unbefristete Stellen haben. Das ist der Stadt Frankfurt und dem Diakonischen Werk zu verdanken.“ Die Erzieherin ist sich sicher, die Barrierefreiheit müsse auch in anderen Kindergärten verbessert werden: „Wir brauchen mehr Integrationsplätze.“
Die Kita der evangelischen Martinusgemeinde beherbergt insgesamt 75 Kinder. Ein Drittel der Plätze sind für Kinder mit Behinderungen ausgelegt. Als integrative Kindertagesstätte wurde sie 1989 in Frankfurt Schwanheim gegründet. Bis zu vier Fachkräfte betreuen jeweils eine Gruppe mit 15 Kindern. Das Angebot umfasst auch einen Kinderhort für Schulkinder.
[Wiebke Heß]