Flüchtlinge
Gewalt gegen christliche Flüchtlinge in Deutschland
Open Doors DeutschlandChristlicher Flüchtling in einer deutschen Asylunterkunft kurz nach einem gewalttätigen, religiös motivierten Übergriff. Den Text auf dem Handy hatte er mit einem Übersetzungsprogramm eingetippt.13.12.2016 epd Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Beschimpfungen und Gewalt gegen christliche Flüchtlinge in Unterkünften - Berichte der Organisation Open Doors darüber haben dieses Jahr Aufsehen erregt. Die Behörden und Kirchen sind generell gegen eine getrennte Unterbringung nach Religion. Anders ist es in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung Rotenburg an der Fulda. Zwei ehemalige Bewohner erzählen, warum.
Die christlichen Iraner Hamed F. (24) und Morteza G. (33) lebten von vergangenem Februar bis August in der Einrichtung. Sie seien dort als „unrein“ beschimpft worden, sagen sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt am Main. Er sei deshalb mehrfach aus den Gemeinschaftsduschen ausgesperrt worden, berichtet Morteza G. Das Wachpersonal habe erwidert: „Wenn nichts Schlimmes passiert, können wir nichts machen.“
„Als wir anfingen, sonntags zu einem Gottesdienst zu gehen, fingen die Beschimpfungen an.“
„Am Anfang war alles gut“, sagt Hamed F. „Aber als wir anfingen, sonntags zu einem Gottesdienst zu gehen, fingen die Beschimpfungen an.“ Die Feindseligkeiten durch einige der muslimischen Mitbewohner hätten sich zu Tätlichkeiten gesteigert. Einem christlichen Freund sei ein Zahn ausgeschlagen, einem anderen die Hand gebrochen worden. Muslimische Iraner hätten dagegen keine Probleme bekommen.
Im vergangenen Juli seien Konflikte zwischen Muslimen und Christen in der Unterkunft bekanntgeworden, bestätigt das Regierungspräsidium Gießen. Die Polizei wurde in der Nacht vom 2. auf 3. Juni gerufen - es gab eine Massenschlägerei. Der Hintergrund sei unklar geblieben, teilt das Polizeipräsidium Osthessen mit. Hamed F. berichtet, dass es damit anfing, dass drei bis vier Männer einen Mitbewohner mit einer Halskette mit Kreuz angingen, zu denen bald andere mit Schlaggegenständen dazustießen.
Umfrage unter christlichen Flüchtlingen von Open Doors
Daraufhin befragte der Zentralrat der Orientalischen Christen in Deutschland im Auftrag von Open Doors und mit Zustimmung des Regierungspräsidiums vom 10. Juni bis 6. Juli die christlichen Flüchtlinge in der Einrichtung. Von den damals 622 Bewohnern waren nach Auskunft der Behörde 49 Christen. 32 von ihnen füllten einzeln einen mehrsprachigen Fragebogen aus. In den von Open Doors im Internet veröffentlichten Angaben äußern viele Befragte Angst um ihr Wohlergehen und sogar ihr Leben.
Todesdrohungen gegenüber Christen
Am 10. Juli wurde wieder die Polizei gerufen. Christliche Bewohner fanden nach ihrer Rückkehr von einem Gottesdienst in ihrem unverschlossenen Zimmer ein Graffito an der Wand, wie das Polizeipräsidium mitteilt. Die arabischen Schriftzeichen besagten „Gott ist groß“ und „Es ist Zeit zum Töten“. Neben der Todesdrohung sei ein Kreuz durchgestrichen gewesen, berichten Hamed F. und Morteza G. Die Polizei sei erst beim zweiten Anruf gekommen und habe nur das Graffito fotografiert. Nach drei Wochen sei ein Polizist wiedergekommen und habe die Zimmerbewohner gefragt, ob sie die Schmiererei selbst angebracht hätten.
Nach diesem Vorfall ist nach Auskunft des Regierungspräsidiums den damals 49 christlichen Flüchtlingen die Unterbringung in einem getrennten Gebäudeteil angeboten worden. Mehr als die Hälfte von ihnen hätten von dem Angebot Gebrauch gemacht.
Diakonie und Landeskirche bezweifeln Bericht von Open Doors
Die evangelische Landeskirche und die Diakonie haben von den Vorwürfen der christlichen Flüchtlinge nichts erfahren und misstrauen dem Bericht von Open Doors. Die Aussagen stammten durchgehend von Iranern und glichen sich stark, sagt die Dekanin Gisela Strohriegl. Ähnliche Zweifel hegt der Diakoniepfarrer der Kirchenkreise Hersfeld und Rotenburg, Jens Haupt. Die Aussagen würden wie abgesprochen klingen, sagt er. Außerdem spreche die Rückkehr einiger Flüchtlinge in das alte Wohngebäude wegen eines schlechten WLAN-Empfangs gegen eine schlimme Lage.
Hessen legt Maßnahmenkatalog gegen religiös motivierte Übergriffe vor
Die Landesregierung jedoch hat aufgrund der Befragung in Rotenburg einen Maßnahmenkatalog zum Schutz von Flüchtlingen vor religiös motivierten Übergriffen erarbeitet. Dieser sieht unter anderem eine Sensibilisierung der Mitarbeiter und der Polizei vor und empfiehlt eine religiös gemischte Zusammenstellung von Wachpersonal und Dolmetschern.
Nach Angaben von Open Doors sind die Berichte aus Rotenburg kein Einzelfälle. Aus Flüchtlingsunterkünften in Hessen lägen Ende November 136 entsprechende Berichte vor, aus Rheinland-Pfalz 39. Im Oktober sprach die Organisation von bundesweit 743 Fällen von Diskriminierung, Bedrohung oder Gewalt gegen Christen und Jesiden.
Maßnahmenkatalog gegen religiös motivierte Übergriffe
Zur Verhinderung von religiös motivierten Übergriffen in Flüchtlingsheimen haben das hessische Innen- und das Sozialministerium im Oktober einen Maßnahmenkatalog zusammengestellt. Einige wesentliche Maßnahmen sind:
- Verbesserung der Meldekette über entsprechende Vorfälle/Einführung eines Meldebuchs.
- Sensibilisierung der Leitungen und der festen Mitarbeiter an den Standorten.
- Sensibilisierung der Polizei bezüglich des Konfliktpotenzials religiöser Übergriffe.
- Mitarbeiterschulungen und Informationsveranstaltungen für Flüchtlinge.
- Mitarbeiter mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit rekrutieren.
- Direkte Kommunikationsmöglichkeit der Flüchtlinge mit den Standortleitungen.
- Ansprechpartner bei der Polizei benennen.
- Abstimmung mit Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche.
- Kontakt zum Zentralrat der orientalischen Christen in Deutschland.
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