Elemente der Schöpfung Gottes nicht privatisierbar Wichtige Gerechtigkeitsfragen berührt
Kirchensynode fordert Verbot von Biopatenten
24.04.2009 krebs Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Die Kirchenleitung wird aufgefordert, für diese Haltung in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) sowie bei den Landesregierungen in Rheinland-Pfalz und Hessen und beim Europäischen Parlament einzutreten.
„Gemeinsames kulturelles Erbe der Menschheit“
Die Synode argumentiert, aus theologischer Sicht seien Patentierungen „grundsätzlich das falsche Rechtsinstrument im Bereich des Lebendigen“. Gene, lebende Materie und ganze Lebewesen seien Elemente der Schöpfung Gottes. Sie seien bereits vorhanden und somit keine patentierbaren neuen technischen Erfindungen. Zudem gehe es um „wichtige Gerechtigkeitsfragen“, denn Nutztiere und Nutzpflanzen stammten aus allen Erdteilen und würden seit etwa 10.000 Jahren gezüchtet. Sie seien „ein gemeinsames kulturelles Erbe der Menschheit“ und dürften nicht „privatisiert“ werden. Biopatente behinderten und verteuerten die Weiterentwicklung von Wissenschaft und Forschung sowie von Züchtungsaktivitäten. Sie förderten dagegen „Marktkonzentrationsprozesse über die gesamte Produktionskette der Landwirtschaft“ und die Abhängigkeit der Landwirtschaft von wenigen Großkonzernen. Als Folge sinke auch die Arten- und Sortenvielfalt in der Landwirtschaft.
Hintergrund der Resolution ist ein demnächst zu erwartendes Grundsatzurteil der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts zur Patentierbarkeit von nicht-gentechnisch veränderten Lebewesen und konventionellen Züchtungsmethoden.
Der Wortlaut:
Resolution der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau für ein Verbot von Biopatenten vom 25. April 2009
Die Kirchenleitung wird gebeten, den Rat der EKD aufzufordern, sich bei der Bundesregierung sowie mittels der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) beim Europäischen Parlament für eine Verbesserung der EU-Biopatent-Richtlinie 98/44/EG von 1998 einzusetzen.
Ziel soll dabei ein eindeutiges Verbot der Patentierung von Pflanzen und Tieren, von pflanzlichen und tierischen Gensequenzen sowie von „im wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren“ (Kreuzung, Selektion, Hybridzüchtung) sein. Das Forschungs-, Züchter- und Landwirteprivileg sollte dabei klar erhalten werden.
Die Kirchenleitung wird gebeten, bei den Landesregierungen in Hessen und Rheinland-Pfalz dafür einzutreten, dass diese sich im Rahmen der Agrarministerkonferenz für eine Verbesserung des EU-Biopatentrechts im obigen Sinne einsetzen.
Begründung
I. Grundsatzurteil steht an
Für 2009 oder 2010 steht bei der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts ein Grundsatzurteil zur Patentierbarkeit von nicht-gentechnisch veränderten Lebewesen und konventionellen Züchtungsmethoden an.
II. Ernährungssicherheit bedroht
Bei dem Konflikt um Biopatente geht es um wichtige Gerechtigkeitsfragen. Nutztiere und Nutzpflanzen stammen aus allen Erdteilen und werden seit etwa 10.000 Jahren gezüchtet. Sie sind ein gemeinsames kulturelles Erbe der Menschheit. Zu diesen Lebensgrundlagen sollen alle Menschen gleichermaßen Zugang haben. Die Patentierung bewirkt jedoch eine „Privatisierung“ des Zugangs zu den genetischen Ressourcen. Bisher werden 80 Prozent des weltweit eingesetzten Saatgutes frei getauscht. Biopatente und Biopiraterie benachteiligen gezielt die Entwicklungs- und Schwellenländer. Wird die Verfügungsgewalt der Kleinbauern über ihr Saatgut rechtlich eingeschränkt, bedroht dies die weltweite Ernährungssicherheit.
III. Patentierung falsches Rechtsinstrument für Lebendiges
Aus theologischer Sicht sind Patentierungen grundsätzlich das falsche Rechtsinstrument im Bereich des Lebendigen. Gene, lebende Materie und ganze Lebewesen sind Elemente der Schöpfung Gottes. Sie sind bereits vorhanden und somit keine patentierbaren neuen technischen Erfindungen. In ihrer Fortpflanzungsfähigkeit unterscheidet sich die belebte Natur fundamental von der unbelebten Natur. Das traditionelle Naturverständnis wird aufgelöst, wenn Lebewesen mit technischen Erfindungen bei toter Materie gleichgesetzt werden. Biopatente beruhen zum Teil rein auf der Entschlüsselung von natürlich vorhandenen Gensequenzen, denen bestimmte Funktionen zugeordnet werden können. Die Identifizierung von Genen und ihren Funktionen ist eine wissenschaftliche Entdeckung und daher nicht patentierbar. Es liegt keine erfinderische Tätigkeit vor. Selbst bei einer Weiterzüchtung oder gentechnischen Veränderung passen Lebewesen nicht in das Kriterienraster von Erfindungen.
IV. Verstärkte Marktkonzentration im Agrarsektor
Neben dieser Grundsatzkritik haben die Biopatente zahlreiche negative gesamtgesellschaftliche Folgen. Biopatente weisen neben der mangelnden Erfindungshöhe oft einen viel zu weiten und unklaren Schutzumfang auf. Die Reichweite von Patenten auf Genen beschränkt sich häufig nicht auf die technisch konkret beschriebenen Anwendungen, sondern sehr weit reichende strategische Global- oder Vorratspatente werden erteilt. Der Patentanspruch bei den Genen erstreckt sich dann auch auf Funktionen, die eventuell erst in Zukunft durch Dritte gefunden werden. Da sich Biopatente zum Teil auf die Folgegenerationen beziehen, resultiert daraus eine zusätzliche erhebliche Ausweitung des Patentschutzes.
Das negative Ausschließungsrecht des Patentinhabers berechtigt ihn zur Erhebung von Lizenzgebühren für einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren. Biopatente behindern bzw. verteuern dadurch die Weiterentwicklung von Wissenschaft und Forschung sowie die Züchtungsaktivitäten im Agrarsektor. Patente auf konventionelle Züchtungsverfahren reduzieren die möglichen züchterischen Lösungswege. Das schränkt den züchterischen Fortschritt stark ein.
Die Kosten für Patentanmeldungen und -anfechtungen sind extrem hoch, so dass kleine und mittelständische Zuchtunternehmen überfordert sind. Zwar musste eine Vielzahl an strittigen Biopatenterteilungen nach Klagen zurückgezogen werden. Strukturell bedingt verhindert der hohe Kosten - und Zeitaufwand jedoch die Wahrnehmung der Einspruchsrechte.
Multinationale Unternehmen nutzen Biopatente, um die internationalen Marktkonzentrationsprozesse über die gesamte Produktionskette der Landwirtschaft voranzutreiben. Die Abhängigkeit der Landwirtschaft von wenigen Großkonzernen steigt dramatisch. Als Folge sinkt die Arten- und Sortenvielfalt in der Landwirtschaft.
V. Verbesserung der EU-Biopatent-Richtlinie notwendig
Eigentlich besteht in der umstrittenen EU-Biopatent-Richtlinie von 1998 ein Verbot der Patentierung von Pflanzensorten, Tierrassen und „im wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren“. Diese Verbote werden jedoch aufgrund von Interpretationslücken zunehmend aufgeweicht. Hunderte von Biopatenten wurden inzwischen vom Europäischen Patentamt erteilt. Die Patentvergabe beschränkt sich dabei nicht auf gentechnisch veränderte Organismen. Konventionell gezüchtete Nutztiere und Nutzpflanzen sowie klassische Züchtungsverfahren werden ebenfalls patentiert.
In der EKD-Publikation „Einverständnis mit der Schöpfung - Ein Beitrag zur ethischen Urteilsbildung im Blick auf die Gentechnik“ von 1997 wurde die Problematik der Biopatente geschildert. Die reale Entwicklung hat in Teilen die damaligen Befürchtungen bestätigt. Daher ist eine grundlegende Reform der EU-Biopatent-Richtlinie notwendig.