Wasser-Privatisierung
Kostbares Wasser für alle!
Rita DeschnerWasser21.03.2013 rh Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Die Initiative der Europäischen Union, die Wasserversorgung in Zukunft europaweit verpflichtend auszuschreiben, würde die Privatisierung des Wassers beschleunigen. „Dies kann dazu führen, dass die Trinkwasserpreise rapide ansteigen, die Qualität des Wassers hingegen sinkt.“ So benennt Dr. Brigitte Bertelmann, Referentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN, einige der möglichen Folgen. Anlässlich des UNESCO-Weltwassertags am 22. März ermutigt sie Bürgerinnen und Bürger, sich für das Wasser als Menschenrecht zu engagieren und verweist auf die EU-Bürgerinititative „Wasser ist ein Menschenrecht“, die bereits über eine Million Unterschriften gesammelt hat. Die Initiative fordert die Europäische Kommission auf, das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend der Resolution der UN gesetzlich durchzusetzen.
„Gerade als Christinnen und Christen ist es uns wichtig, das kostbare Gut Wasser vor einseitigen Geschäftsinteressen zu schützen. Wir gehen davon aus, dass Wasser als Schöpfungsgabe Gottes allen Menschen gehört. In der Taufe hat das Wasser sogar eine entscheidende religiöse Bedeutung“, unterstreicht Pfarrer Christian Schwindt, Leiter des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung. Deshalb fordert die promovierte Volkswirtin Bertelmann in dem Papier „Wasser ist ein öffentliches Gut“, wirtschaftliche Argumente auf ihre Nachhaltigkeit und ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. In dem Dokument klärt sie über den EU-Richtlinienentwurf, die Entwicklung der Privatisierung in jüngster Zeit und die Zusammenhänge mit dem Wassermarkt auf. Beispiele aus La Paz, Grenoble und Berlin verdeutlichen die Folgen.
Wasser ist ein öffentliches Gut
Hintergrund
In Europa verantwortet die Wasserversorgung bisher die öffentliche Hand. Aufgrund hoher Schulden und knapper Kassen haben manche Kommunen diese Aufgabe ganz oder teilweise an private Anbieter abgegeben. Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einer Richtlinie, die den Wettbewerb stärken soll und neue Vorgaben für die Vergabe von Nutzungsrechten enthält. Viele Kommunen sowie der Deutsche Städtetag und der Städte- und Gemeindebund befürchten, dass die Vergaberichtlinien der weiteren Privatisierung der Wasserversorgung Vorschub leisten werden.
Bereits heute hat das Geschäft mit dem Wasser ein jährliches Volumen von über 400 Mrd. US-Dollar. Industrieanalysen gehen davon aus, dass sich dieses Volumen bereits in den nächsten Jahren um mehr als 150% steigern wird. Wasserknappheit insbesondere in den großen Städten, Privatisierung der Nutzungsrechte großer Süßwasservorkommen werden voraussichtlich dafür sorgen, dass die Trinkwasserpreise in Zukunft rapide ansteigen werden.
Beispiel Berlin: Privatisierung zurückgenommen
In Berlin beispielsweise wurde beschlossen, die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe schrittweise rückgängig zu machen, die in einem Vertrag den privaten Aktionären eine Rendite von 8 Prozent garantierten. Die Wassergebühren waren seit ihrer Freigabe in 2003 um 28 Prozent gestiegen; eine weitere Erhöhung folgte vier Jahre später. Die Zahl der Mitarbeiter ist um 1200 zurückgegangen. Im letzten Jahr verfügte das Bundeskartellamt, dass die Gebühren im laufenden Jahr um 18 Prozent in den folgenden Jahren um weitere 17 Prozent gesenkt werden müssen. Rückwirkend zum Januar 2012 hat Berlin die Anteile von RWE zurückgekauft. Für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Stadt hat sich die Privatisierung als teure Fehlentscheidung herausgestellt.
Die Perspektive der Wirtschaft
Brigitte Bertelmann weist aber auch darauf hin, dass es auf der anderen Seite durchaus von Vorteil sein könne, auch mit privatem Kapital die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge zu erfüllen und das Know-how privater Partner zu nutzen. Außerdem könnten durch privatrechtliche Gesellschaftsformen die Begrenzungen des öffentlichen Personal-, Haushalts- Organisations- und Vergaberechts zurückgedrängt werden. Dies könnte zu Kostensenkungen und mehr Flexibilität beitragen. Die promovierte Referentin betont allerdings: „Nicht immer erfüllen sich diese Erwartungen in der Praxis – was sich in Berlin gezeigt hat. Hier ist es ratsam, einen aufmerksamen Blick auf die Verträge zu werfen.“
Die zentralen Forderungen der evangelischen Wirtschafts- und Sozialreferentin:
Diskussion
Es muss eine gründliche, öffentliche Diskussion darüber stattfinden, was mit Privatisierung erreicht werden kann und soll.
Politische Verantwortung und Steuerung
Es muss der Frage nachgegangen werden, ob sich die öffentliche Hand, wenn sie sich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben immer mehr entzieht, nicht auch ihre Macht zur Selbstdefinition und politischen Steuerung verliert und sich letztlich selbst in Frage stellt.
Wahrheit und Nachhaltigkeit als Maßgabe
Kurzfristige ökonomische Argumente dürfen nicht allein ausschlaggebend sein. Außerdem müssen sie im Einzelnen auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Nachhaltigkeit überprüft werden.
Einseitige Interessen aufdecken
Wettbewerb und Privatisierung dürfen nicht zum Selbstzweck werden. Entsprechende Argumentation muss als ideologisch und einseitig Interesse geleitet entlarvt werden.
Mündigkeit der Bürger und Demokratie stärken
Die tendenzielle Entmündigung der Bürger/innen und die Demokratiegefährdung durch immer weitergehende Privatisierung müssen aufgedeckt und bekämpft werden.
Transparenz und Mitgestaltungsmöglichkeiten
Nicht Privatisierung an sich sondern eine transparente Verwaltung und Strukturen, die Bürgerbeteiligung ermöglichen und ermutigen bedeuten einen Zuwachs an Freiheit. Sie zu schützen und bestehende Mitgestaltungsspielräume zu nutzen ist auch ein Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung „freier Christenmenschen“.