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Konzert

Liebe zur Musik als Hoffnungsschimmer zwischen Kriegstrümmern

Davide de DioPianist Aeham AhmadInternational bekannt geworden ist Aeham Ahmad durch sein Klavierspiel inmitten der Trümmer des umkämpften Palästinenser Lagers Jarmuk bei Damaskus

Seine Musik hatte inmitten der vom Krieg zerstörten Straßenzüge im syrischen Jarmuk die Menschen erreicht. Wer die Interpretationen des Pianisten Aeham Ahmad erleben möchte, hat dazu die Chance am 16. Juni auf dem Hessentag. Über sein Leben hat der Musiker mit EKHN-Reporter Davide Di Dio gesprochen.

Im Bürogebäude einer Management-Firma in Wiesbaden herrscht reges Treiben. Das Team ist jung und freundlich. Dort wartet Aeham Amad. Ein palästinensischer Geflüchteter, der in Jarmuk in Syrien aufgewachsen ist. Jarmuk ist ein Flüchtlingslager in Damaskus, in dem vorwiegend palästinensische Flüchtlinge leben. Auch Aeham Amad wuchs mit dem Status eines Flüchtlings auf. Noch bis zum Jahr 2012 lebten in Jarmuk 150.000 Menschen, drei Jahre später waren es noch 16.000. Die Grausamkeiten, die hinter diesen Zahlen stecken, sieht man Aeham nicht an. Er ist freundlich, lächelt und scheint sich auf das Gespräch zu freuen. 2015 kam er alleine nach Deutschland und beantragte Asyl.
Jetzt spielt der inzwischen international bekannte Pianist in der Zeitkirche auf dem Hessentag in Rüsselsheim am 16. Juni ab 15 Uhr. Dabei informiert Pfarrer Andreas Lipsch, Abteilungsleiter bei der Diakonie Hessen, über die Situation der Flüchtlinge.

Mit fünf Jahren am Klavier

EKHN-Reporter Davide Di Dio hat Aeham Amad selbst zu Wort kommen lassen, das Interview haben die beiden auf Englisch geführt. Die Sprache spricht der Pianist aus Syrien bereits fließend, obwohl er erst vor gut einem Jahr angefangen hat, Englisch zu lernen. Aeham Amads Passion ist die Musik – um genauer zu sein, das Klavier. Schon sein Vater besaß ein Musikgeschäft in Jarmuk. Sein Vater spielt Violine, obwohl er mittlerweile sein Augenlicht einbüßen musste. Aehams Traum war es aber, Klavier zu lernen. In Jarmuk hatte Aeham das einzige Klavier der Gegend. „Viele Leute kamen zu uns nach Hause. Und mein Vater war sehr stolz auf mich. Ich habe jedem vorgespielt“, erzählt Aeham. Er begann im Alter von fünf Jahren und spielte alle geläufigen Stücke der Klavierschule. Von Beethoven über Mozart bis zu Rachmaninow. „Das war seltsam. Ich habe diese Musik gespielt, aber ich wusste nichts über das Leben der Komponisten in Europa“, sagt er. Mit 18 habe er sich dann entschlossen, sein Leben der Musik zu widmen und studierte einige Jahre in Homs – bis der Krieg kam. „Ich hätte mir niemals vorstellen können, nach Europa zu gehen. Ich dachte, ich bleibe“. Drei Module hatten Aeham zum Studienabschluss noch gefehlt.

Kämpfen mit Melodien und Rhythmen

„Ich wollte nicht gehen. Wir dachten alle, dass es bald aufhören wird. Also sind wir erst mal geblieben“, sagt er nüchtern. „Das war 2012.“ Zu dem Zeitpunkt als der Krieg begann, hatte Aeham bereits seine Frau geheiratet und einen Sohn bekommen. Er erzählt seine Geschichte mit einer erstaunlichen Abgeklärtheit. „Ich wollte auch nicht kämpfen. Für keine Armee. Mein Kampf ist die Musik, ich kämpfe mit meinem Klavier“.

Zauber der Musik inmitten der Trümmer

Genau das hat Aeham getan. Er nahm sein Klavier, packte es auf einen Rollwagen und spielte zwischen den Trümmern einer zerstörten Stadt. Seine Freunde halfen ihm, das Klavier von Ort zu Ort zu schieben. Viele Kinder gesellten sich zu ihm. „Drei Jahre lang sangen wir Lieder über Jarmuk, über Syrien und über Krieg und Frieden. Wir sangen über Menschen“, erinnert sich Aeham, „die Musik hat uns geholfen mit der Situation umzugehen“. Er hat auch eine Band mit Freunden gegründet. Bilder dieser Aktionen finden sich auf Video-Portalen im Internet. Die Trümmer, die zerstörten Häuser, die Grausamkeit der Umgebung lassen sich nicht ausblenden. „Irgendwann kam dann ein Mann und hat mein Klavier verbrannt“, erzählt Aeham. Dieser Mann habe gefragt, wem das Klavier gehöre. Sein Vater habe damals gesagt, dass es ihm selbst gehöre. Hätte er das nicht gemacht, wäre Aeham wahrscheinlich getötet worden. Denn die al-Nusra-Front hatte meist Erbarmen mit alten Menschen. Aeham war dem sogenannten Islamischen Staat ein Dorn im Auge. Musik war verboten. Zuvor hatte er erlebt, dass vor seinen Augen ein Mädchen durch einen Schuss in den Kopf getötet wurde. „Das war zu viel. Ich musste an die Zukunft meiner Kinder denken. Ich musste weg. Viele meiner Freunde sind gefangen genommen worden. Mein Bruder auch. Viele gute Menschen sind gestorben“, erzählt er.

Der lange Weg nach Deutschland

Er machte sich am 2. August auf den Weg nach Deutschland, alleine, ohne seine Familie. „Der Weg war nicht einfach. Ich bin mehr als 700 Kilometer gelaufen. Man sieht viele Menschen sterben. Deswegen musste ich alleine gehen.“ Er floh über Izmir, Lesbos und die Balkanroute nach Deutschland, wo er zunächst in einer Außenstelle der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Kirchheim lebte, dann in Olpe. „Ich habe mir dann hier mit der Musik ein neues Leben aufgebaut. Ich habe viele Menschen getroffen, die mir geholfen haben. Herbert Grönemeyer zum Beispiel. Ich konnte auf Konzerten spielen und habe sogar ein neues eigenes Klavier bekommen“, freut er sich. Es ist ihm anzusehen, dass er sein Glück bis heute nicht fassen kann.

Auftritte mit deutschen Stars

Heute ist Aeham so gut wie eigenständig. Er spielte zusammen mit den Sportfreunden Stiller oder Judith Holofernes. 2015 erhielt er in Bonn den erstmals verliehenen Internationalen Beethovenpreis für Menschenrechte, Frieden, Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklusion. Im August 2016 konnte er seine Familie nachholen und lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern gemeinsam in einer eigenen Wohnung in Wiesbaden. Sein Management hilft ihm, den Asylstatus zu verändern, sodass er mit Konzerten und seinen Kompositionen sein eigenes Geld verdienen kann. Bald erscheint auch seine Biographie. „Der Krieg verändert die eigenen Gedanken. Man denkt nicht mehr an die Zukunft. Man denkt daran, was man morgen tun wird.“

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[Davide Di Dio]

In der Konzentration auf das, was ist,
kann sich so etwas wie ein Raum öffnen,
ein Gewahrsam schärfen für die Gegenwart Gottes.

(Carsten Tag)

Carsten Tag

Bild: Mit freundlicher Genehmigung von gettyimages / rusm

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