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Haltung zum Islam

Muslime in Deutschland fühlen sich mit Staat und Gesellschaft eng verbunden

nullplus/istockphoto.comDie meisten deutschen Muslime sind liberal und religiös

Eine aktuelle Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zeichnet ein gespaltenes Bild: Während sich die meisten der hier lebenden Muslime mit deutschen Werten identifizieren können, stehen viele nicht-muslimische Deutsche dem Islam und seinen Anhängern ablehnend gegenüber.

Die hier lebenden Muslime orientieren sich in ihren Einstellungen und Lebensweisen stark an den Werten in der Bundesrepublik. Das allerdings nimmt die Mehrheitsbevölkerung kaum wahr. Sie steht dem Islam zunehmend ablehnend gegenüber. Für die hier lebenden Muslime bedeutet das Ausgrenzung und Belastung. 

„Wenn Deutsche Muslime persönlich kennen, sinkt die kritische Distanz“, erklärt Jörg Bickelhaupt, der als Beauftragter für interkonfessionelle Fragen im Zentrum Ökumene der EKHN arbeitet. „Wenn ich eine andere Religion nicht wirklich kenne, dann irritiert mich ihre Fremdheit. Dann lehne ich die Religion und die Menschen mit dieser Religion sehr schnell ab.“

Muslime identifizieren sich mit deutschen Werten

Die meisten der vier Millionen Muslime in Deutschland sind laut Studie ein Teil dieses Landes. Ihre Einstellungen und Sichtweisen orientieren sich stark an den Grundwerten der Bundesrepublik wie Demokratie und Pluralität. Umgekehrt stehen den Muslimen und ihrer Religion aber große Teile der nicht-muslimischen Bevölkerung ablehnend gegenüber. Das zeigt die "Sonderauswertung Islam" aus dem Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung. 

Die Studie belegt eine starke Verbundenheit der Muslime mit Staat und Gesellschaft. 90 Prozent der hochreligiösen Muslime halten die Demokratie für eine gute Regierungsform. Neun von zehn Befragten haben in ihrer Freizeit Kontakte zu Nicht-Muslimen. Jeder zweite hat sogar mindestens genauso viele Kontakte außerhalb seiner Religionsgemeinschaft wie mit Muslimen. 

Muslime in Deutschland zeigen sich mehrheitlich fromm und liberal zugleich. 63 Prozent der Muslime, die sich als ziemlich oder sehr religiös bezeichnen, überdenken regelmäßig ihre religiöse Einstellung. Einer Heirat unter homosexuellen Paaren stimmen rund 60 Prozent von ihnen zu. Von den hochreligiösen Muslimen, die ihre Glaubensgrundsätze selten hinterfragen, tun dies immerhin noch 40 Prozent. 

Mehr als jeder zweite Deutsche sieht Muslime als Bedrohung

Die Verbundenheit der Muslime mit Deutschland und seinen gesellschaftlichen Werten trägt jedoch nicht dazu bei, dass sich negative Vorurteile gegenüber dem Islam abbauen. Im Gegenteil: Nach der Umfrage empfinden 57 Prozent der nicht-muslimischen Bundesbürger den Islam als Bedrohung. Im Jahr 2012 waren es 53 Prozent. „Für Muslime ist Deutschland inzwischen Heimat. Sie sehen sich aber mit einem Negativ-Image konfrontiert, das anscheinend durch eine Minderheit von radikalen Islamisten geprägt wird", sagt Yasemin El-Menouar, Islam-Expertin der Bertelsmann Stiftung. 

So äußern 61 Prozent der Bundesbürger die Meinung, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Im Jahr 2012 hatten das 52 Prozent gesagt. 40 Prozent der Befragten fühlen sich zudem durch Muslime wie Fremde im eigenen Land. Jeder Vierte will Muslimen sogar die Zuwanderung nach Deutschland verbieten. 

Jörg Bickelhaupt hält das für keine gute Lösung: „Man sollte verhindern, dass sich Muslime in unserer Gesellschaft ausgegrenzt fühlen und dass sie mit einem Generalverdacht überzogen werden.“ Stattdessen solle man sie als Menschen mit einem anderen Glauben anerkennen und wert schätzen. „Es gibt Unterschiede zwischen Christentum und Islam, die ändern sich auch nicht. Aber man kann diese Differenzen annehmen.“

Jüngere Deutsche sind toleranter als ältere

Weder die politische Orientierung, das Bildungsniveau noch der Sozialstatus beeinflussen das Islambild der Deutschen nennenswert. Entscheidender sind das Alter und der persönliche Kontakt zu Muslimen. Von den über 54-Jährigen fühlen sich 61 Prozent durch den Islam bedroht, von den unter 25-Jährigen hingegen nur 39 Prozent.

Das bestätigt auch Bickelhaupt: „Es spielt natürlich die konkrete Erfahrung eine Rolle. Vor 35 oder 40 Jahren hatten wir kaum Migranten als Mitschüler. Das ist heute undenkbar.“ Aber er sieht noch einen weiteren Grund: „Jüngere Menschen sind weniger religiös gebunden als ältere.“ Gleichgültigkeit aber sei gefährlich, weil sie schnell in Ablehnung umschlagen könne.

Persönliche Kontakte zu Muslimen erhöht Toleranz

Die Angst ist zudem am stärksten dort, wo die wenigsten Muslime leben. In Nordrhein-Westfalen, wo ein Drittel von ihnen wohnt, fühlen sich 46 Prozent der Bürger bedroht. In Thüringen und Sachsen, wo kaum Muslime leben, äußern dies 70 Prozent. Obwohl die große Mehrheit von 85 Prozent der Deutschen sagt, sie stehe anderen Religionen sehr tolerant gegenüber, scheint dies nicht für den Islam zu gelten. 

Trotzes immer besser gelingenden Zusammenlebens der Religionen in Deutschland bestehe die Gefahr einer breit durch die Bevölkerung gehenden Islamfeindlichkeit, sagt Yasemin El-Menouar: "Es gibt vieles in Deutschland, was Muslime und Nicht-Muslime verbindet. Aber es bedarf einer stärkeren Anerkennung und Wertschätzung der Muslime und ihrer Religion." Laut Bickelhaupt entsteht diese Wertschätzung vor allem durch persönlichen Kontakt, indem man Menschen der anderen Religion kennen lerne. „Dadurch werden mir die Menschen vertrauter. Die Religion bleibt mir inhaltlich fremd, aber ich kann mit dieser Fremdheit anders umgehen.“

In der Konzentration auf das, was ist,
kann sich so etwas wie ein Raum öffnen,
ein Gewahrsam schärfen für die Gegenwart Gottes.

(Carsten Tag)

Carsten Tag

Bild: Mit freundlicher Genehmigung von gettyimages / rusm

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