Martin Luther während der NS-Zeit
Überall Luthers Worte
Yvonne SchnurDie Ausstellung wird in der Dreifaltigkeitskirche gezeigt.03.07.2019 ysch Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Die Ausstellung „Überall Luthers Worte“ zur Rolle von Martin Luther während des Nationalsozialismus ist in der Kirche am Marktplatz noch bis zum 18. August zu sehen. Konzipiert wurde die Ausstellung „Überall Luthers Worte“ von der Stiftung Topographie des Terrors und der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin anlässlich des Lutherjahres 2017. Auf Initiative des Evangelischen Dekanats Worms-Wonnegau und in Kooperation mit der Gedenkstätte KZ Osthofen wurde die Wanderausstellung nach Worms geholt.
Präses Dr. Oelschläger hält Eröffnungsvortrag
Im Mittelpunkt des Abends stand ein Vortrag von Dr. Ulrich Oelschläger, Präses der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sowie Lutherbeauftragter der Stadt Worms, der darüber aufklärte, wie die Nationalsozialisten Martin Luthers Überlieferungen für ihre Zwecke einsetzen. Ein Gesangbuch für die Kriegsmarine von 1940, diente Oelschläger als erstes Beispiel. Gleich zu Beginn ist das Lutherzitat zu lesen: „Eine feste Burg / ist unser Gott / eine gute Wehr / und Waffen“ - flankiert von Reichsadler, Frakturschrift und Hakenkreuz. Auch an anderer Stelle stößt man auf die konstruierte Verbindung zwischen Hitler und dem großen Reformator: Auf einem Gottesdienstblatt zur Konfirmation 1940 in Oppenheim, fand der Referent Zitate von Hitler, Luther und Christus – „ein merkwürdiger“ Dreiklang, wie Oelschläger anmerkte. Hitler selbst machte keinen Hehl daraus, die Kirche für seine Absichten einsetzen zu wollen; auf einem Plakat der Ausstellung prangt unübersehbar folgendes Zitat des sogenannten Führers: „Wir halten die Kräfte des Christentums unentbehrlich für den sittlichen Wiederaufstieg des deutschen Volkes.“
Kirchenkampf zwischen "Deutschen Christen" und "Bekennender Kirche"
Die Kirche war hinsichtlich der nationalsozialistischen Ideologie gespalten: Während die „Deutschen Christen“ der Weltanschauung der Nationalsozialisten folgten, leisteten die Mitglieder der „Bekennenden Kirche“ Widerstand. Bisweilen waren es symbolische Akte, wie etwa das Glockengeläut des Doms anlässlich einer Wahlkampfkundgebung der NSDAP in Königsberg, das seitens der Kirche verweigert wurde und das Joseph Goebbels deshalb in die Rundfunkübertragung per Schallplatte einspielen ließ. Neben solch anekdotischer Ereignisse informierte Oelschläger auch über die Ereignisse zu jener Zeit in Worms: „Der Widerstand gegen die Nazis kam vor allem aus den Kirchengemeinden.“ Vor allem die Luthergemeinde unter der Leitung von August Eckhardt habe sich als „Bekennende Kirche“ hervorgehoben, informierte Oelschläger die Zuhörer.
Antijüdisch, aber nicht antisemitisch
„Luther war Antijudaist, weil die Juden seiner Auslegung des Alten Testaments nicht folgten. Er lehnte ihre Religion ab, aber er war kein Antisemit“, wenn auch gewisse Frühformen des Antisemitismus erkennbar sind, konstatierte Oelschläger am Ende seines Vortrages. Luthers Antijudaismus sei gleichwohl eine Seite, die Viele nicht kennen oder mögen, doch auch damit müsse man sich heute auseinandersetzen, schloss der Referent.
Musikalischer Kommentar
Einen eindrucksvollen Kommentar lieferte im Anschluss an den Vortrag von Dr. Ulrich Oelschläger Dekanatskantorin Ellen Drolshagen. Mit ihrer Interpretation von „Ein feste Burg“ spiegelte sie musikalisch das Gehörte und verfremdete die bekannte Melodie des Lutherliedes, ließ die bekannten Harmonien nahezu bedrohlich wirken.
Begleitprogramm zur Ausstellung:
Gottesdienst
14. Juli, 10 Uhr, Dreifaltigkeitskirche
Dekan Harald Storch predigt zum Thema der Ausstellung.
Studienabend
19. Juli, 19.30 Uhr, Dreifaltigkeitskirche
„Dem Rad in die Speichen fallen …“
Als einer der Wenigen hat sich Bonhoeffer gegen die nationalsozialistische Judenverfolgung ausgesprochen — anders als viele andere in der Bekennenden Kirche. Gemeinsam werden zentrale Stellen aus Bonhoeffers Schrift „Die Kirche vor der Judenfrage“ gelesen.
Einführungsreferat und Leitung des Abends:
Pfarrerin Veronika Veerhoff
Finissage
18. August, 18.30 Uhr, Dreifaltigkeitskirche
Das Missverständnis mit der „Stunde Null“
Der lange Weg der christlichen Theologie zum Dialog mit dem Judentum nach dem Ende des „Dritten Reichs“
Referent: Dr. Ulrich Schwemer