Evangelische Sexualethik
Video: Christliche Erotik will mehr als pure Lust
Esther StoschChristlicher Sexshop beim Kirchentag22.06.2019 sto Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Esther StoschTheologe Gerhard Schreiber vom Institut für Theologie und Sozialethik der TU Darmstadt forscht unter anderem zu Sexualethik.Passen das Spiel mit körperlicher Sinnlichkeit und christlicher Glaube zusammen? Für die Gründer des neuen Online-Erotikshop „Schöner lieben“ lautet die Antwort ganz klar: Ja. Sie haben den Shop mit christlichen Werten vor anderthalb Jahren gegründet und nun auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund vorgestellt.
Zum Video: Beim Kirchentag bricht christlicher Sexshop mit Tabus
Mitgründer Wellington Estevo ist in einer freichristlichen Gemeinde aufgewachsen und ruft zu mehr Offenheit gegenüber Sex und Sexualität auf. „Sexualität und Vertrauen gehören einfach zusammen“, sagt er zum Motto des Kirchentages „Was für ein Vertrauen“. „Sex ist etwas ganz Normales im Leben und wir wollen das Thema auch genauso normal behandeln.“ Viele Besucher am Stand seien erstaunt, dass es einen Erotik-Shop mit christlichen Werten gebe.
Dabei zeige sich, dass es vor allem um Liebe, Vertrauen und eine offene Kommunikation innerhalb der Beziehung gehe. Sex müsse auch innerhalb christlicher Gemeinschaften zu einem offenen Gesprächsthema werden, fordern die Gründer von „Schöner lieben“.
„Sexualität ist eine gute Gabe Gottes“
Der Theologe Gerhard Schreiber vom Institut für Theologie und Sozialethik der Technischen Universität Darmstadt schließt sich dieser Forderung an. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören nicht nur Trans- und Intersexualität aus der theologischen Perspektive (Link zur Trans), sondern auch Fragen der Sexualethik. Er sagt: „Sexualität ist eine gute Gabe Gottes.“ Daran gebe es zunächst einmal nichts Negatives, so der Theologe.
„Gelingend ist Sexualität vor allem dann, wenn sich die Partner gegenseitig achten, respektvoll miteinander umgehen und keinen Zwang ausüben“, rät Schreiber. In dieser intimen Form der Beziehung gehe es vor allem darum, zu einem gleichberechtigten und harmonischen Miteinander zu kommen. Dabei gebe es immer wieder auch Grenzfälle, wie etwa die Auffassungen der Gemeinschaft christlicher Sadomasochisten. Manche stelle sie vor die Frage: „Ist das noch eine gelingende Sexualität?“ Schreiber gibt zu bedenken, dass die eigene Sexualpraxis etwas sehr privates sei, aber niemand in der Position sei „jemand anderem zu sagen: Das darf man nicht“.
EKD hat Fragen der Sexualität in den 1970er Jahren beantwortet
Viele Christen seien vorsichtig, „wenn es darum geht frei und offen über Sexualität im positiven Sinne zu sprechen“. Das zeige auch die Aufmerksamkeit für den christlichen Sexshop auf dem Kirchentag. Die letzte EKD-Denkschrift zu Fragen der Sexualität stammt aus dem Jahr 1971. 2010 hatte die Evangelische Kirche in Deutschland eine Kommission eingesetzt, die eine neue Denkschrift erarbeiten sollte. Sie scheiterte und wurde von den Autoren unter dem Titel „Unverschämt – schön. Sexualethik: evangelisch und lebensnah“ 2015 veröffentlicht.
Gerade in einer „hypersexualisierten Gesellschaft“ begrüße der Theologe Schreiber Christen, die „weg von dieser Sexualisierung und Sensationsgier hin zu einer intimen Sache zwischen Partnern“ eine Sprache fänden. Es sei wichtig, „dass wir da Hilfsmittel bereitstellen und Möglichkeiten anbieten, das Sexualleben interessanter und freudiger zu gestalten“. Für ihn ist es besonders wesentlich, Sexualität in einem geschützten Raum wahrzunehmen und darüber in einem klaren Rahmen zu sprechen.
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