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Spendenaktion: Taschen aus Rettungswesten

„Wo Unrecht zum Himmel schreit“

bbiew

„Die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln in der Ägäis stecken fest. Sie kommen nicht vorwärts, sie kommen nicht zurück“. Diese Bilanz zog die Friedenspfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Sabine Müller-Langsdorf, ein Jahr nachdem das Abkommen zwischen der EU und der Türkei in Kraft getreten ist.

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Bei einer Veranstaltung zum Abschluss der vom Evangelischen Dekanat Bergstraße konzipierten Fotoausstellung „Lesbos: Insel der Flüchtlinge – Insel der Freiwilligen“ im Heppenheimer Haus der Kirche bezeichnete Müller-Langsdorf die Lage der Flüchtlinge als besorgniserregend. „Das Warten und die Ungewissheit, die bedrängende Enge in den Lagern führen vermehrt zu Aggressionen und Depressionen. Auch die Selbstmordrate ist gestiegen.“

Ein Deal, der Europa die Flüchtlinge vom Hals halten soll

Nach dem sogenannten EU-Türkei-Deal sollen alle Flüchtlinge, die nach dem 20. März 2016 „illegal“, das heißt ohne Einreisegenehmigung, die griechischen Inseln erreichen, in die Türkei zurückgeschickt werden. Im Gegenzug dürfen bis zu 72.000 Syrer, die sich in der Türkei befinden, legal in eines der EU-Länder. „Ein Deal ist ein Handel. Der Handel sieht vor, dass die EU der Türkei Geld gibt. Im Gegenzug hält sie Europa die Flüchtlinge vom Hals“, sagte die Pfarrerin. Doch dieser Deal funktioniere nicht. Bislang seien 865 Flüchtlinge in die Türkei zurückgebracht worden. Die Mehrzahl der rund 5.000 Flüchtlinge auf Lesbos habe Asylanträge gestellt. Es gebe einen erheblichen Rückstau bei der Bearbeitung. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl lehnten die Rückführung der Flüchtlinge ab, weil die Türkei kein sicherer Drittstaat sei.

Was haben diese Menschen eigentlich verbrochen?

Die meisten Flüchtlinge auf Lesbos sind im Lager Moria interniert – ein ehemaliges Gefängnis, das mit seinen Mauern und dem Stacheldraht immer noch wie ein Gefängnis aussieht. Die Geflüchteten dürfen nach ihrer Registrierung das Lager erst nach drei Wochen tagsüber verlassen „ Was haben Menschen, die vor Krieg uns Unterdrückung fliehen, eigentlich verbrochen, dass sie wochenlang eingesperrt werden?“, fragte Pfarrerin Müller-Langsdorf, die mehrfach auf Lesbos war und enge Kontakte zu griechischen und internationalen Freiwilligenorganisationen geknüpft hat. Ein Foto in der Ausstellung zeigt, wie jugendliche Flüchtlinge im Lager Moria aus Protest und Frustration Müllcontainer anzünden. Dies ist kein Einzelfall. Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen. Nach Angaben von Müller-Langsdorf hat sich die  Organisation Ärzte ohne Grenze geweigert, weiter in Moria tätig zu sein, weil sie nicht das Feigenblatt für die dort herrschenden erbärmlichen Zustände sein wolle.

Begegnungsreise nach Lesbos

Die Einwohner von Lesbos wurden für ihre große Solidarität mit den ankommenden Flüchtlingen sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.“Sie haben in hervorragender Weise das getan, was sie tun konnten“, meinte die Friedenspfarrerin. „Jetzt aber sind die Menschen müde und am Rande ihrer Kräfte. Sie fühlen sich von der EU und der griechischen Zentralregierung allein gelassen.“ Vom 30.September bis 7. Oktober wird Müller-Langsdorf eine Begegnungsreise für Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe nach Lesbos leiten. „Wir wollen bewusst Orte aufsuchen, wo das Unrecht zum Himmel schreit, und mit den Menschen sprechen, die sich mit dem Unrecht nicht abfinden wollen“, erklärte die Pfarrerin. Die Begegnungsreise ist bereits vollständig ausgebucht.

Stumme Zeugen der Flucht

Die EKHN unterstützt Projekte von „Lesvos Solidarity“ – eine Organisation griechischer und internationaler Freiwilliger. Sie hat ein früheres Kinderferienlager zu einem Flüchtlingscamp ausgebaut, in dem vor allem Menschen untergebracht wurden, die auf eine ärztliche Behandlung angewiesen sind oder Menschen mit einer Behinderung. „Es ist der genaue Gegensatz zum Lager Moria. In Pikpa können Flüchtlinge einfach Mensch sein“, betonte Pfarrerin Müller-Langsdorf.  Ein Begegnunscafé für Flüchtlinge und Einheimische in der Altstadt  der Inselhauptstadt Mytilini, das „Lesvos Solidarity“ im Frühjahr eröffnen will, wurde von der EKHN mit 20.000 Euro gefördert. Ein weiteres Projekt ist „Mosaik. Dabei erhalten Flüchtlinge und auch Griechen zum einen Sprachunterricht und Rechtsberatung; zum anderen werden dort in einer Textilwerkstatt aus Rettungswesten, die zigtausendfach als stumme Zeugen der Flucht an den Küsten zurückgelassen wurden, Taschen gefertigt. Sie werden gegen eine Spende abgegeben. Die EKHN hat 150 solcher Taschen erworben, die für mindestens 37 Euro im Zentrum Ökumene in Frankfurt erhältlich sind. Auch im Heppenheimer Haus der Kirche sind einige Exemplare gegen eine Spende zu bekommen.

In der Konzentration auf das, was ist,
kann sich so etwas wie ein Raum öffnen,
ein Gewahrsam schärfen für die Gegenwart Gottes.

(Carsten Tag)

Carsten Tag

Bild: Mit freundlicher Genehmigung von gettyimages / rusm

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