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Halt finden

Samuel Koch: Im Rollstuhl zum Schauspiel-Diplom

Ch. MattesSamuel Koch im Interview mit Lotte Mattes

Samuel Koch ist querschnittsgelähmt, studiert und unternimmt viel mit Freunden. Er gibt damit vielen Menschen Hoffnung und Mut. Aber auch er gerät an seine Grenzen.

Samuel Koch ist seit dem 4. Dezember 2010 vom Hals abwärts gelähmt. In der TV-Show „Wetten dass?“ prallte er als Wettkandidat mit dem Kopf auf eines der Autodächer, das er mit seinen Sprungstelzen im Salto überspringen wollte. Die Folge: Samuel Koch ist von Tetraplegie betroffen. Das heißt, dass er weder Arme noch Beine bewegen kann. Doch Samuel Koch verfolgt seine beruflichen Ziele und studiert Schauspiel. „Ich habe sehr viel Verständnis und Toleranz von den Führungsebenen der Universität bekommen. Wenn alles klappt, werde ich nächstes Jahr im achten Semester mein Schauspiel-Diplom machen“, erzählt er. Samuel Koch macht vielen Menschen mit seiner positiven Einstellung Mut und gibt ihnen Hoffnung. Diesen Herbst war er mit seinem Freund und Musiker Samuel Harfst mit einer Konzertlesung auf Deutschland-Tour. 

Charlotte Mattes von der Multimediaredaktion der EKHN hat Samuel Koch im September in der Jugend-Kultur-Kirche Sankt Peter in Frankfurt getroffen. 

Wie sieht Ihr Alltag heute aus?

Samuel Koch: Ich wohne in einer Zwei-Zimmerwohnung im Zentrum von Hannover. Dort lebe ich recht spartanisch und allein - also mit meinen Pflegern, die nahezu rund um die Uhr bei mir sind. Wie jeder Mensch esse, trinke und schlafe ich. In der Zwischenzeit habe ich Therapien. Außerdem studiere, lese und schreibe ich, also ich diktiere. Im Verhältnis kümmere ich mich genauso viel um meinen Körper wie früher als ich Leistungsturner war.

Was machen Sie in freien Momenten?

Samuel Koch: Ich mache eher so Rentnersachen wie Spazierenfahren oder Lesen. Mit meinen Freunden gehe ich sehr viel ins Theater. Aber wir schauen auch Fußball auf meinem Beamer, gehen in Bars oder ich lasse mich von meinen Freunden bekochen (schmunzelt). Ich verbringe meine Abende sehr gerne mit guten Gesprächen.  

Jetzt leben Sie seit fast drei Jahren mit der Lähmung. Haben sich Ihre Fähigkeiten verändert?

Samuel Koch: Dadurch, dass sich die meisten Körperfunktionen eingestellt habe, entwickelt sich mein Gehirn zu einem Hochleistungsprozessor (lacht). Darunter leide ich sehr. Im Krankenhaus wurde ich extrem sensibel und schreckhaft. Zum Beispiel, wenn jemand einen Stift neben mir fallen gelassen hat, habe ich mich sehr erschreckt. Außerdem konnte ich das 20-köpfige Pflegepersonal am Schritt erkennen. Was sich verbessert hat, ist die Tiefensensibilität in meinen Händen. Das heißt, ich spüre das Gewebe unter meiner Haut, wenn sie fest gedrückt werden. 

Sind Sie durch Ihre Behinderung toleranter geworden?

Samuel Koch: In manchen Dingen schon, in anderen nicht. Früher war es so, dass ich einen Rollstuhlfahrer gesehen habe und mir kurz gedacht habe: „Ach, der Arme.“ Jetzt weiß ich aber, was da wirklich dahinter steckt und auf wie viele Barrieren ein Rollstuhlfahrer jeden Tag stößt. Außerdem habe ich auch Toleranz für Leute entwickelt, die eher ignorant mit mir umgehen.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Samuel Koch: Ja, es gibt ein Beispiel von einem intoleranten Mensch. Ich habe ein Hotelzimmer einen Tag vor Anreise storniert. Ich war einfach medizinisch nicht in der Lage, dort zu übernachten. Aber der Hotelbesitzer hat sich nicht die Mühe gegeben, sich in mich einzufühlen. Seine Antwort war, dass er das Zimmer lange für mich reserviert habe und ich nie mehr anrufen solle. 

Auch jetzt auf der Tour erlebe ich unangenehme Momente. Es ist sehr nett mal umarmt zu werden und gemeinsame Fotos zu machen. Aber als vorhin die etwas ältere Dame mit Daumen und Zeigefinger mir in die Wange gekniffen hat, da hört’s auf!

Wie reagieren Sie in solch unangenehmen Momenten?

Samuel Koch: Ich nehme das zwangsläufig hin - ich kann mich ja nicht wehren.

Mit Worten ja schon...

Samuel Koch: Ich glaube, da bin ich schlecht drin - das kann ich nicht so gut. 

Wie gehen Menschen auf Sie zu?

Samuel Koch: Ich muss sagen, dass ich sehr viel Liebe von meinen Freunden und Kommilitonen bekomme. Aber manche Menschen schließen von einer körperlichen Behinderung auf eine geistige und deshalb gehen sie sehr auf Distanz. Andere nutzen es aus, dass ich mich nicht wehren kann, wie die erwähnte ältere Dame. Kinder reagieren auch sehr unterschiedlich. Einige weinen und rennen weg, andere klettern auf meinen Rollstuhl, nehmen den Joystick und manövrieren mich gegen eine Wand (lacht).

Was wünschen Sie sich: Wie sollen Menschen auf Sie zugehen?

Samuel Koch:  Ich glaube, dass es Überwindung kostet auf jemanden zuzugehen, der im Rollstuhl sitzt. Aber man sollte es lieber machen, als Angst davor zu haben. Denn Liebe und wenig Berührungsängste zu haben, ist sehr wichtig. Man fühlt sich manchmal unwohl. Wenn dann jemand die Grenze überschreitet, tut das gut. Meine Kommilitonen haben mich im Krankenhaus mobilisiert und durchgeknetet, das war schön.

In Ihrem Buch „Zwei Leben“ unterstreichen Sie, dass Ihr Glaube sehr wichtig für Sie ist. Was bedeutet Gott für Sie?

Samuel Koch: Er ist zu einer lebensnotwendigen Instanz geworden. Nach dem Unfall habe ich gezweifelt und gehadert - aber mein Glaube hat sich intensiviert. Ich wüsste sonst nicht, wohin. Manchmal kann ich meinen Anblick nicht ertragen, finde sonst nirgends mehr Halt oder fühle mich unverstanden und würde sonst verzweifeln. Durch meinen Glauben öffnen sich Perspektiven. Ich fühle mich aufgefangen und aufgehoben. 

Wofür beten Sie?

Samuel Koch: Ich bete für meine Familie, dass ich gute Arbeit in der Uni abliefere und dass die Schmerzen endlich aufhören. Manchmal bete ich abends, dass ich endlich einschlafen kann. Drei Stichpunkte für die ich bete sind: Wachheit, Demut, um nicht hochmütig zu werden, und Liebe.

In der Konzentration auf das, was ist,
kann sich so etwas wie ein Raum öffnen,
ein Gewahrsam schärfen für die Gegenwart Gottes.

(Carsten Tag)

Carsten Tag

Bild: Mit freundlicher Genehmigung von gettyimages / rusm

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