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Rätsel um Weihnachtsstern

Satellit Gaia wirft einen präzisen Blick in die Sterne

R. Deschner/EKHNHubert Meisinger vor Bühne im ESOCEKHN-Umweltpfarrer Hubert Meisinger freut sich, dass das Weltraumteleskop Gaia wohlbehalten im All angekommen ist

Nach dem geglückten Start wird das Astronomie-Teleskop "Gaia" der ESA eine Milliarde Sterne neu vermessen. Lässt sich dadurch auch nachvollziehen, inwieweit vor rund 2000 Jahren ein Stern den Weg zur Krippe nach Bethlehem wies?

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Portrait Gaia-Modell Live-Schaltung in den Kontrollraum der ESA in Darmstadt Das Weltraum-Teleskop Gaia Gespräch Gespräch
R. Deschner/EKHNBegrüßungESOC-Manager Dr. Thomas Reiter (links), der als Astronaut selbst im Weltall war, begrüßt Pfarrer Hubert Meisinger im ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt

„Ich freue mich riesig, dass der Satellit wohlbehalten in seiner Zielbahn angekommen ist.  Wir haben die Signale des Satelliten aufgefangen, die ersten Checks von den Bordsystemen gemacht – und alles ist bestens. Sie können sich vorstellen, da fällt einem natürlich ein Stein vom Herzen. Denn die Phase vom Abheben bis der Satellit im Orbit ist, ist eine sehr, sehr kritische“, freute sich Dr. Thomas Reiter, Direktor des Kontrollzentrums der ESA, dem ESOC (European Space Operations Center) und Direktor für bemannte Raumfahrt der ESA.

Am Donnerstag, den 19. Dezember ist das Astronomie-Teleskop Gaia erfolgreich in den Weltraum gestartet. Im Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt verfolgten Wissenschaftler, Journalisten und geladene Gäste per Live-Übertragung, wie das über zwei Tonnen schwere Teleskop an Bord einer Sojus-Rakete vom Europäischen Raumfahrtbahnhof Kourou in Französisch Guayana abhob. 

Die Gaia-Mission hat das Ziel, über eine Milliarde Sterne neu zu vermessen und eine dreidimensionale Karte unserer Milchstraße anzufertigen.   

EKHN-Umweltpfarrer:  „Das Unerklärliche verständlich machen“

Nach dem geglückten Start der Sojus-Rakete gehörte Pfarrer Dr. Hubert Meisinger zu mehreren Experten, die aus ihrer Perspektive die Gaia-Mission im Kontrollzentrum der ESA beleuchteten. Er ist Referent für Umweltfragen im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN und Studienleiter für den Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften der Evangelischen Akademie Frankfurt. Meisinger veranschaulichte, weshalb Menschen sich zunächst anhand von Mythen die Entstehung der  Milchstraße erklärten. „Menschen sind fasziniert von unerklärlichen Phänomen - und sie wollten sie schon immer verstehen. Das ist eine treibende Kraft, die die Wissenschaft vorantreibt, aber sie ist auch ein Grund für Mythen, Rituale und Religion“, so der Theologe. Es gehe darum, das Unerklärliche verständlich und bedeutsam für das menschliche Leben zu machen.
Vor hochkarätigen Wissenschaftlern, Ingenieuren und Journalisten beleuchtet Meisinger das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Theologie. „Beide stehen in einem freundlichem Dialog und wechselseitigem Austausch, beide möchten Dinge verständlich machen. “ Dabei hob er die Bedeutung der Gaia-Mission hervor: „Eine Mission wie Gaia wird so groß sein, dass sie mit Sicherheit unseren Horizont deutlich erweitern wird. In einer bestimmten Weise werden wir auch unseren Blick auf das Unerklärliche verändern.“ 

Vergangenheit und Zukunft der Milchstraße besser verstehen

 „Ich glaube es ist eine ganz grundsätzliche Frage zu verstehen: Wo kommen wir eigentlich her? Wie ist das entstanden? Welche Mechanismen liegen dem zugrunde? Allein die Faszination, solche Fragen zu beantworten, ist schon Grund genüg, solche Missionen durchzuführen“, erklärte Thomas Reiter, der 1995 als Astronaut einen Weltraumausstieg unternahm. Antworten zu seinen Fragen wird die Auswertung der Daten liefern, die Gaia zur Erde sendet. „Durch die genaue Vermessung der Position und der Bewegung der Sterne ist es möglich, ihre zukünftige Lage vorherzusagen und ihre  ehemalige Position zu rekonstruieren. Dadurch werden wir die Entstehungsgeschichte und die zukünftige Entwicklung genauer und besser verstehen“, erklärt Dr. Florian Renk, Missions-Analyst von Gaia. Die gesammelten Daten sollen weitere Erkenntnisse liefern, wie die Heimat-Galaxie des Planeten Erde entstanden ist und sich in Zukunft weiter entwickeln wird.  

Stern über Bethlehem? 

Da durch Gaia ein genauerer Blick in die Vergangenheit der Milchstraße möglich ist, müsste sich auch herausfinden lassen, ob tatsächlich vor rund 2000 Jahren eine besondere Sternenkonstellation über der Krippe Jesu in Bethlehem stand. Florian Renk erklärt: „2000 Jahre sind kosmologisch gesehen nicht sehr lang, das heißt, der Sternenhimmel sah vor  2000 Jahren nicht sehr anders aus als heute.“  Für den Stern von Bethlehem gäbe es unterschiedliche Erklärungsansätze. Renk benennt die erste Variante: „Ein explodierender Stern wäre eine mögliche Erklärung,  allerdings hat man noch keine Überreste einer Supernova gefunden, die vor 2000 Jahren stattgefunden haben könnte.“  Eine weitere Erklärung könne ein Komet oder eine besondere Konstellation der Planeten gewesen  sein. Renk verdeutlicht die wahrscheinlichste Variante: „Die Planeten erscheinen im Nachthimmel als besonders helle Objekte, bewegen sich allerdings vor dem Sternenhintergrund, so dass es zu Konstellationen kommen kann, in denen zwei helle Objekte sehr nah aneinander stehen.“

Doch würden entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse auch Auswirkungen auf den Glauben haben? Pfarrer Meisinger erklärt: „Wenn man theologische Forschung ernst nimmt, weiß man, dass die Erzählung über den Stern von Bethlehem eine sehr wichtige Funktion hatte. Die frühen Christen haben überlegt, wie man diesem Kind, aus dem später Jesus Christus wurde, Ehre und Achtung zuteil werden lassen kann.“ Deshalb habe der biblische Verfasser andere einzigartige Ereignisse in dieser Zeit auf Jesu Geburt bezogen. Meisinger macht deutlich, dass der Evangelist deshalb nicht die Unwahrheit erzählt habe, sondern dass es seine Art war, seinen Glauben auszurücken.  

Chancen für Unvorhergesehenes: Anderes Leben oder gar Gott im Weltall? 

Gaia wird mit bisher unerreichter Präzision den Weltraum vermessen, allein einer von 106 lichtempfindlichen Sensoren besitzt eine Auflösung von knapp einer Milliarde Pixel.  Der Toulouser Projektleiter Vincent Poinsignon verdeutlicht: „Gaias Superauge könnte vom Mond aus den Fingernagel eines Menschen auf der Erde vermessen.“ Wäre es deshalb möglich, dass durch Gaia gar bisher unbekanntes Leben im All entdeckt werden könnte? Der erfahrene Raumfahrt-Chef Reiter erklärt: „Die Mission Gaia wird die Frage nach Leben auf einem anderen Planeten nicht klären können. Aber es könnte natürlich sein, dass man einen Exoplaneten entdeckt, der genau in der richtigen Entfernung zu einem Zentralgestirn liegt, der eine ähnliche Masse wie die Erde hat. Und über entsprechende Analyseverfahren könnte man feststellen, ob es Wasser gibt, möglicherweise sogar in flüssiger Form.“ Deshalb sei dies für ihn eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Reiter lässt an seinen Vermutungen teilhaben: „Ich kann es mir nicht vorstellen, dass es in diesen unendlichen Weiten, in diesem riesigen Universum nicht doch mehrere Orte gibt, die ähnliche Bedingungen haben wie hier auf unserer Erde, und dass sich dort Leben – in welcher Forum auch immer – schon entwickelt hat oder gerade dabei ist, sich zu entwickeln.“ 

Mit den Worten „Vater unser im Himmel“, beginnt das bekannteste christliche Gebet. Hieße das, dass sich Gott im Universum möglicherweise auffinden ließe? Pfarrer Meisinger schmunzelt: „ Die englische Sprache bietet hier Feinheiten, die wir in der deutschen Sprache nicht haben. In der englischen Sprache würde die Naturwissenschaft den `sky´ erforschen. Während der Himmel, den wir als göttlichen Himmel verstehen, als `heaven´ bezeichnet wird.“ Für den Theologen ist klar: „Gaia wird viele neue faszinierende Erkenntnisse über den Himmel, die Sterne  und das Weltall liefern. Dennoch wird Gaia nicht den göttlichen Himmel abbilden können.“

In der Konzentration auf das, was ist,
kann sich so etwas wie ein Raum öffnen,
ein Gewahrsam schärfen für die Gegenwart Gottes.

(Carsten Tag)

Carsten Tag

Bild: Mit freundlicher Genehmigung von gettyimages / rusm

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