Hochzeit vor dem Abgrund
Trauung in 40 Metern Höhe
Charlotte MattesYvonne und Marko König haben sich getraut21.02.2014 cm Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
In 40 Metern Höhe und bei strömenden Regen balancieren Braut und Bräutigam auf der glitschigen Brüstung der Karlsburg in Karlsruhe-Durlach. Das Besondere: Stuntman Marko König ist nicht gesichert. Lediglich rutschfeste Klebebänder an den Sohlen seiner schwarzen, glänzend polierten Schuhe geben ihm etwas Halt. Seine Braut Yvonne ist mit einem Klettergurt unter dem Kleid gesichert. Der Kelsterbacher Pastor Uwe Schmidt predigt von einer Leiter.
Nach nur fünf Minuten ist die Zeremonie vorbei. Hochzeitsgäste sind nur wenige vor Ort, dafür viele Kameras und Blitzlichtgewitter. „Ich bin erleichtert und froh, dass ich auf dem Boden stehe“, freut sich die Braut, als sie wieder unten in der Karlsburg steht. Ihre Haare sind von Regen und Wind zerzaust.
Ausgefallene Wünsche sind in der EKHN selten möglich
Für Matthias Pape, Referent für Mitgliederorientierung der EKHN, ist der Stuntman aus Karlsruhe ein Nachzügler: „Vor acht oder zehn Jahren gab es mal eine Welle, dass Paare an ungewöhnlichen Orten heiraten wollten.“ Im Fesselballon, unter Wasser oder auf Türmen wollen sich Paare heute aber kaum noch das Ja-Wort geben. Solch eine Hochzeit sei auch nicht immer möglich. Die Lebensordnung der EKHN sieht vor, dass eine Trauung in einem kirchlichen Gebäude stattfinden soll. „So eine Hochzeit an einem ganz ausgefallenen Ort ist ja immer auch eine Ablenkung vom eigentlichen Inhalt“, begründet Pape diese Bestimmung. Bei ausgefallenen Wünschen müssten außer dem Pfarrer auch der Kirchenvorstand und unter Umständen sogar das Dekanat zustimmen.
Vertrauen und eine sichere Hand
Stolz erzählt Bräutigam König, dass sie „die Ersten, die Einzigen und die Letzen“ seien, die auf der Karlsburg heiraten dürften. Für König ist die Plattform auf der Karlsburg kein Neuland – hier hat er schon häufig Stunts geprobt. Aber Yvonne König stand zum ersten Mal auf der Brüstung. Angst hatte sie keine. „Es hat sich wie Freiheit angefühlt da oben zu stehen – ein tolles Gefühl“, erzählt sie, als sie die rote Feuertreppe hinuntersteigt. Mit dem Spektakel will König zeigen: „Du hast Höhen und Tiefen im Leben. Du kannst tief abstürzen, und um das zu vermeiden brauchst du eine sichere Hand im Leben, Vertrauen und Gottes Hilfe“. Privat gehe König häufig in die Kirche, erzählt er. Denn dort schöpfe er Kraft - doch für die Hochzeit wollte er einen Ort, der standesgemäß für einen Stuntman sei.
Paare benötigen eine gute Begründung für ausgefallene Orte
Wie viele Paare sich jedes Jahr mit Wünschen abseits des Üblichen bei den Pfarrern der EKHN meldeten, kann Pape nicht sagen – zumal die Grenze zwischen „normal“ und „unkonventionell“ nicht starr verlaufe. Wenn man es gut begründen könne, sei auch eine Hochzeit an einem ganz ungewöhnlichen Ort möglich, erklärt Pape. Berufe spielten da eine Rolle, begründet Pape – ähnlich wie bei dem Stuntman auf dem Dach. „Ein Dompteur könnte vielleicht schon in einem Löwenkäfig heiraten“, sagt Pape, muss aber gleich darauf lachen: „Er müsste nur einen Pfarrer finden, der mitkommt.“
Eine unvergessliche Trauung für den Pastor
Für Pastor Uwe Schmidt ist es die außergewöhnlichste Hochzeit, die er je durchgeführt hat. Dass die Trauung unter freiem Himmel und ohne schützendes Kirchendach stattfand, sieht der freikirchliche Pastor locker: „Gott hat kein Problem. Gott wohnt nicht in Kirchengebäuden, diese Zeit ist vorbei. Gott wohnt in Menschen - ich glaube Gott fand das richtig gut.“