Sicherer Heimweg trotz Dunkelheit
Unsichtbare Beschützer am Telefon
Frances-PhotographyAnabell Schuchhardt und Frances Berger vom Heimwegtelefon18.02.2014 cm Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Frances-PhotographyAnabell Schuchhardt und Frances Berger vom HeimwegtelefonDie große Glastür fällt sanft zu. Sie trennt die wohlige Wärme und das gesellige Geplauder der Bar von der klirrenden Kälte der Nacht. Ein kurzer Schauer fährt durch meinen Körper. Ich ziehe meine Schultern zu den Ohren – krame schnell Handschuhe, Mütze und Handy aus meiner nussbraunen Umhängetasche. Jetzt stehe ich in der Wiesbadener Innenstadt und muss eigentlich alleine nach Hause laufen. Heute zum Glück nicht – zum ersten Mal wähle ich die Nummer vom Heimwegtelefon: 030- 120-74-182.
Alleine und sicher ankommen
Anabell Schuchhardt und Frances Berger, zwei junge Frauen, hatten die Idee zum Heimwegtelefon. Sie kennen das ungute Gefühl, nachts ohne Begleitung nach Hause laufen zu müssen. Das Projekt der zwei Frauen ist in Berlin gestartet, seit Januar können Menschen von allen Orten in Deutschland aus die Nummer des Heimwegtelefons wählen. Bis jetzt zahlen Anrufer noch den normalen Festnetztarif, Ziel ist es aber, dass diese durch eine kostenlose 0800-Nummer ersetzt wird. Jeden Freitag- und Samstagabend begleiten Anabell, Frances und andere Freiwillige Anrufer von 22 bis 2 Uhr nachts per Telefon bis nach Hause.
Telefonat mit einer Fremden
„Anabell vom Heimwegtelefon, mit wem spreche ich?“, begrüßt mich eine helle, sanfte Stimme. Wir sprechen uns zum ersten Mal, meine Stimme zittert ein bisschen. Ich bin nervös – „Über was soll ich mich mit einer Fremden mitten in der Nacht am Telefon unterhalten?“, überlege ich. Doch Anabell lässt mich nicht weiter grübeln: „Wo bist du denn gerade?“, fragt sie lebhaft. Ich bin in der Kirchgasse in Wiesbaden und muss in den Kaiser-Friedrich-Ring. Den Weg laufe ich häufig. Er dauert gute zehn Minuten, keine lange Strecke aber es gibt viele dunkle Ecken, die mir Angst machen. Gerade lerne ich Lola, Anabells Hündin, kennen, sie wuselt im Hintergrund herum, dann entsteht eine Gesprächspause. Bevor sie peinlich wird, fragt Anabell: „Wo bist du denn gerade?“.
Freiwillige verfolgen, wo die Anrufer gerade sind
Anabell und die anderen Freiwilligen telefonieren mit einem Bildschirm vor dem Gesicht. Sie tippen sofort die Stadt, sowie Start – und Zielpunkt des Anrufers bei Google Maps ein. Während des Heimwegs fragen sie immer wieder nach, wo sich der Anrufer befindet – so können sie den Weg verfolgen und in Notsituationen handeln.
Entspannte Gesprächsatmosphäre stärkt das Selbstbewusstsein
Langsam fühle ich mich richtig wohl und das mulmige Gefühl, das ich sonst habe, wenn ich nachts alleine auf der Straße laufe, ist heute wie ausgelöscht. Stattdessen fühle ich mich von Anabell umsorgt: „Du bist ja gerade an einem Polizeirevier vorbeigelaufen“, informiert sie mich. Anabell fragt mich über mein Studium und meine Arbeit, gerade laufe ich an einer Männergruppe vorbei, aber Anabell lenkt mich ab. Ich fühle mich sicher und stark.
Bis jetzt mussten sie noch nie die Polizei rufen
Anabell und ihre Helfer reagieren sofort, wenn ihre Gesprächspartner in bedrohliche Situationen kommen. Sie rufen die Polizei und teilen ihr den letzten Standort der Person mit. Bis jetzt mussten sie glücklicherweise noch nie die Polizei holen, berichtet Anabell. Alle Anrufer sind sicher zu Hause angekommen.
Geschafft: Fast zu Hause
Das rote Ampelmännchen springt auf grün. „Und was meinst du – wie lange du noch nach Hause brauchst?“. Ich bin kurz überrascht, für die letzten zwei Minuten hatte ich vergessen, dass wir uns ja gar nicht kennen. Ich bin fast da, muss nur noch die Straße überqueren und schon stehe ich fast vor meiner Haustür. Ich bin baff – der Heimweg kam mir viel schneller vor als sonst. „Dann wünsche ich dir eine gute Nacht“, damit entlässt mich Anabell in mein Bett. Zufrieden steige ich die Treppe hinauf und schließe meine Wohnungstür auf. Warum war ich nochmal am Anfang nervös? Ich runzle meine Stirn und muss schmunzeln.
Good News
In der Serie „Good News“ wirft unsere Redaktion einen Blick auf Projekte, die auch außerhalb der evangelischen Kirche umgesetzt werden. Denn wir finden: Es gibt so viele fantastische Aktionen von bisher unbekannten Heldinnen und Helden des Alltags, die die goldene Regel mit Leben füllen. Die goldene Regel sagt: „Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest.“